Friedrich Hasselbacher: Feldlogen im ersten Weltkrieg - Teil 8

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Friedrich Hasselbacher: Feldlogen im ersten Weltkrieg - Teil 8

Bei der Hetzschrift "Volksverrat der Feldlogen im Weltkriege" handelt es sich um eine Nationalsozialistische-Publikation mit eindeutig demagogischer Zielsetzung, die dazu beitrug, die Freimaurerei im Deutschland des "Dritten Reiches" zu zerstören.
Sie sollte sehr kritisch gelesen werden. Zum besseren Verständnis dieser Auszüge empfiehlt es sich, zunächst die einführende Rezension von Roland Müller zu lesen: Rezension: Friedrich Hasselbacher: Feldlogen



Die Feldloge in St. Quentin: „Das aufgehende Licht an der Somme“ (1915-1917)

Quelle: Friedrich Hasselbacher: Volksverrat der Feldlogen im Weltkriege. 1941, 79-90 (= 7. erweiterte und völlig neubearbeitete Auflage von: Hoch- und Landesverrat der Feldlogen im Weltkriege. 1935)

[Wiedergabe ohne die im Text erwähnten Abbildungen]

Das „aufgehende Licht an der Somme“

Am 14. März 1915 wurde in der Stadt St. Quentin die Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" begründet, die wir nunmehr ebenfalls, gestützt auf amtliches Freimaurermaterial, der Öffentlichkeit in ihrem Tun und Treiben weisen wollen.

Als Quelle benutzen wir zunächst einmal die Freimaurerzeitschrift „Die Bauhütte", die zuletzt im Verlag Alfred Unger, Berlin C, Spandauer Straße 22, erschien. Ihr Titelblatt im Jahre 1915 sagt:


Die Bauhütte

Organ für die Gesamtinteressen der Freimaurerei
Herausgegeben von der aus Brr. Freimaurern gebildeten Aktiengesellschaft „Bauhütte"
und als Manuskript nur für Brüder Freimaurer gedruckt.
Verantwortlicher Schriftleiter Br. Reinhold Mahlau.
Anzeigenvertreter für die Schweiz, Frankreich und Italien:
Br. Wilhelm Schöneberger in Basel.

58. Jahrgang (1915).

Gründungsbericht

Über die Gründung usw. der Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" bringt die „Bauhütte" (Nr. 15, 10. April 1915) folgenden Artikel, der als Brief an die Schriftleitung gerichtet worden war:

„Feldlogengründung
von Br. Fr. Ott, Mitglied der Loge „Carl zum aufgehenden Licht", Frankfurt am Main.
Liancourt, den 18. März 1915.
Gel. Brüder!
Ende Februar erhielt ich von Br. Ohr Antwort auf mein Schreiben. Er teilte mir mit, daß am 14. März, vormittags 111/2 Uhr, im Frankfurter Hof zu St. Quentin eine Zusammenkunft der Brüder, welche in der Nähe von St. Quentin stehen, stattfinde.
Wir trafen uns dort zu der festgesetzten Zeit und waren folgende Brüder anwesend:
Br. Dr. Ohr, Prof. A. de la Chaux, Witt-Hoë, Paul Eicke, E. Bodenstein, O. Thöne, Max Kowalsky, H. Sparr, F. Eppstein (Morgenröthe, Frankfurt a. M.), H. Oehler (Sokrates, Frankfurt a. M.), Fr. Ott (Carl zum aufgehenden Licht, Frankfurt a. M.) und Oberstabsarzt Dr. Kustermann, letzterer als Gast, da er nicht zur 2. Armee gehört.
Br. Sparr war der einzige Zivilist. (Wir sehen die „nationalen" Freimaurer, wie Witt-Hoë usw., im Verein mit „humanitären", wie Eppstein (Jude), Oehler, Ott usw., also genau wie in anderen Feldlogen die gesamte Freimaurerei von Deutschland beisammen. F. H.)
Unter Bezug auf die Genehmigung der Großloge gründeten die obengenannten 13 Brüder die Loge „Carl zum aufgehenden Licht an der Somme, Or. St. Quentin". Maurerische Kleidung war bereits besorgt. Zum Stuhlmeister wurde Br. Ohr gewählt, zum stellvertretenden Stuhlmeister und Redner Br. Witt-Hoë, als Schriftführer Br. Eppstein, als erster Aufseher Br. Kustermann, als zweiter Br. Sparr.
Nach dieser Beratungs- und Wahlversammlung gingen wir nach dem St. Quentiner Logengebäude.
Das Gebäude sowohl als auch der Vorraum machten einen sehr dürftigen Eindruck. Eine alte Frau besorgt die Bedienung. Man hat bei dem ersten Eintritt schon das Empfinden, daß hier alles dem Verfall preisgegeben ist, daß hier ein unaufhaltsamer Untergang stattfindet. Im Vorraum wurden wir von drei alten ehrwürdigen Brüdern der St. Quentiner Loge begrüßt. Die französischen Brüder machten einen guten Eindruck, in ihren Mienen war eine tiefe und ehrliche Trauer über das Geschick ihres Vaterlandes zu lesen. Was mich ganz besonders angenehm berührte, war, daß bei diesen französischen Brüdern jedes Zeichen der verbissenen Ergebenheit fehlte, das wir sonst immer hei den Franzosen finden, die uns, durch die Lage gezwungen, etwas überlassen müssen. (Wundervolle Phrase! F. H.)
Es war vorher verhandelt worden, ob die französischen Brüder unserer Arbeit im ersten Grade beiwohnen sollten oder nicht, es wurde aber abgelehnt (von wem? Antwort siehe unten, „Bauhütte" Nr. 16, F. H.) mit der Begründung, daß die Beziehungen zwischen dem deutschen und französischen Großlogenbunde ruhten.
So übergaben die französischen Brüder den Schlüssel des Tempels und den Hammer den gewählten Beamten und verließen die Stätte, wo auch sie dereinst die K. K. (Königliche Kunst, d. h. des Königs Salomo, also die frmr. „Arbeit“, F. H.) geübt und gepflegt haben.
Ich glaube, nicht zuviel zu sagen, wenn wir als Deutsche in dieser Übergabe mit Recht eine symbolische Bedeutung erblicken, und zwar die geistige und sittliche Überlegenheit unserer deutschen Freimaurerei gegenüber der französischen. (Wie diese „sittliche Überlegenheit" aussah, siehe „Bauhütte" Nr. 16. F. H.)
Ist die Ausstattung des Vorraums eine dürftige zu nennen, so ist das Innere des Tempels direkt ärmlich. Die Bibel war überhaupt nicht vorhanden. Winkel und Zirkel haben wir erst nach langem Suchen gefunden, nachdem inzwischen solche, auch die Bibel, aus der Stadt besorgt waren.
Als Lichte benutzten wir drei einfache Kerzenleuchter, die der Meister und die beiden Aufseher um den Teppich auf die Erde stellten.
Über dem Sitz des Meisters stand auf einer Konsole die République Française (die man daließ! F. H.), rechts und links davon je ein Bild, offenbar Stuhlmeister; links hing noch ein Band mit einer Stickerei: „Justice et Vérité. Orient de St. Qnentin, 1918." (Es war kein Band, sondern die Fahne der Loge, die „Justice et Vérité" hieß, siehe „Bauhütte" Nr. 16, F. H. )
Musikinstrumente waren überhaupt nicht vorhanden. Es fehlten überhaupt alle Geräte, deren Vorhandensein man in einer deutschen Loge als selbstverständlich betrachtet.
Gelegentlich einer Vorbesprechung drückten die französischen Brüder ihre Besorgnis aus wegen der im Felde stehenden Brüder und deren Familien, wenn jene als Krüppel oder auch gar nicht mehr zurückkehren. Die armen Angehörigen sind natürlich bis jetzt ohne Nachricht.
Auf die Frage, ob sie denn keine Unterstützungskassen, keinen Fonds hätten, mußten die französischen Brüder antworten: „Nichts, nichts und abermals nichts." Die Loge hat alles und alles der Großloge abliefern müssen, und wie diese das Geld verwandte, das sehen wir, die wir draußen in Feindesland stehen, am besten. Wir empfinden immer mehr, daß alle diese Mittel, die der ganzen Menschheit hätten Nutzen bringen können, lediglich zu dem Zweck der Hetzerei gegen uns und zur Schürung des Revanchegedankens verwendet worden sind."

Es wird also zugegeben, daß die Freimaurerei in Frankreich Trägerin und Schürerin des Revanchegedankens war. Das ist wichtig, denn das unterstreicht auf das nachdrücklichste die in diesem Buch getroffenen Tatsachenfeststellungen und die aus diesen gezogenen anklagenden und verurteilenden Schlußfolgerungen.

„Auch hier dürfte ein Beweis dafür zu erblicken sein, daß die Großlogen Frankreichs, wie sie jetzt sind, nicht mehr als gleichberechtigt neben den deutschen Großlogen bestehen können, daß da vielmehr eine ausgiebige, gründliche Reform dringend notwendig wird. (Phrase! F. H.)
Nach den üblichen Formalitäten bei der Eröffnung der Loge begrüßte der Meister die versammelten Brüder in herzlicher Weise und erteilte dem Redner das Wort zu seiner Zeichnung (so nennt der Freimaurer in seinem Rotwelsch eine Rede, F. H.). Br. Witt-Hoë verglich ganz unparteiisch das Wesen und die Ziele der französischen und deutschen Freimaurerei, erwähnt die im Jahre 1813 gegründeten Feldlogen, gedenkt unserer großen Brüder Kämpfer aus den Freiheitskriegen, schildert die Betätigung der Logen im Kriege 1870/71 und zeichnet dann treffend mit kernigen Worten die Stellung der deutschen Freimaurerei zu dem heutigen Krieg, der uns aufgezwungen ist, in den wir zur Verteidigung unserer heiligsten Güter gezogen sind und von dessen Ausgang für uns Deutsche Sein oder Nichtsein abhängt.
Der Meister dankte dem Bruder Redner für die außerordentlich schöne, hervorragende Zeichnung, Br. Eicke dankte dem Meister vom Stuhl für alle Mühe bei der Vorbereitung und für die wohlgelungene Hammerführung während der Arbeit.
Zum Schlusse wurde die Kette gebildet und dann die erste Arbeit unserer guten Feldloge „Carl zum aufgehenden Licht an der Somme", Orient St. Quentin, geschlossen.
Im Restaurant „Moderne" nahmen wir das Brudermahl ein. 13 waren wir bei der ersten Arbeit und 13 bei dem ersten Brudermahl.
Zu erwähnen, welchen erhebenden Eindruck die Feier auf alle Teilnehmer gemacht hat, war überflüssig. Nur soviel sei gesagt: Nie im Leben werde ich diese Feier vergessen.
Jeden Samstag findet in dem Restaurant „Krieger- und Soldatenheim" ein Klubabend statt, an dem wohl die in St. Quentin befindlichen Brüder regelmäßig teilnehmen werden. Mir hier vorn wird es wegen der Schwierigkeit des Urlaubs, infolge der Alarmbereitschaft und wegen der schlechten Bahnverbindung nur hier und da vergönnt sein, nach St. Quentin zu kommen, und werde ich sehr glücklich sein, wenn ich wenigstens an allen Tempelarbeiten teilnehmen kann.
Allen Brüdern herzlichen Brudergruß.
Fr. Ott.“

Ein zweiter Bericht

In Nr. 16 der „Bauhütte` vom 17. April 1915, S. 127 ff., erschien ein richtigstellender Bericht, der deutlicher als alles andere zeigt, was man, um mit Br. Ohr zu reden (siehe folgenden Bericht), nach Ansicht der Freimaurerei „der deutschen Ehre schuldig ist" ist. Ich lasse den ungekürzten Bericht folgen:

Die Feldloge von St. Quentin
Zur Gründung der Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" Or. St. Quentin am 14. März wird uns noch mitgeteilt:
Besonders schwierig war die Begründung der Feldloge wegen des eigentümlichen Verhältnisses zu den französischen Brüdern. Nicht als ob unsere feldgrauen deutschen Brüder, die sich in St. Quentin zusammenfanden, innere Schwierigkeiten empfunden hätten, mit den Brüdern der beiden französischen Logen brüderlich zu verkehren. (Die deutschen Brr. empfanden also keine inneren Schwierigkeiten, hatten keine sittlichen Bedenken! F. H.) Das war von unserer Seite von Anfang an in herzlicher, echt maurerischer Weise geschehen (!!), ja wir hatten zunächst wiederholt die Freude, deutsche Brüder durch unsere französischen Brüder, denen sie sich zu erkennen gaben, zugeführt zu erhalten.

Unterbrechen wir einen Augenblick die Lektüre, und schauen wir das Gelesene noch einmal Wort für Wort an: die „deutschen" Brüder lernten sich also wiederholt überhaupt erst durch Vermittlung „französischer" Brüder kennen!

Doch hören wir nun weiter, was „Die Bauhütte" zu melden weiß:

Die Schwierigkeit lag lediglich in der Tatsache, daß die französischen Großlogen die maurerischen Beziehungen zu den deutschen Großlogen abgebrochen hatten, wodurch unseren französischen Brüdern eine gewisse innere Schwierigkeit erwuchs (also die Franzosen beachteten die Kriegslage und deren Konsequenzen, die Deutschen aber nicht! F. H.); als wir zur Eröffnung der Feldloge um den Tempel in der Loge „Justice et vérité" baten, ihn uns zur Verfügung zu stellen, war das freilich den französischen Brüdern selbstverständlich.
Ein Zweifel bestand nur über die Frage einer eventuellen Beteiligung der französischen Brüder an unseren Arbeiten. Von unserer Seite stand dem nichts im Wege. Im Gegenteil! Da die französischen Logen in St. Quentin nicht arbeiten, da die meisten Brüder abwesend sind, hätten wir gerne den Zurückgebliebenen in unserer Kette Gelegenheit gegeben, deutsche Maurerarbeit und deutsches (?) Geistesleben kennenzulernen. Die französischen Brüder konnten aber nicht den Beschluß ihrer Großlogen mißachten, der alle maurerischen Beziehungen zu den deutschen Logen abbrach. So wurde denn beschlossen, uns lediglich den Tempel zu überlassen und uns sonst allein zu lassen.
Diese Übergabe fand unmittelbar vor der Eröffnungsfeier am 14. März statt und gestaltete sich für die wenigen Teilnehmer zu einem Erlebnis von unauslöschlichem Eindruck. Vier weißhaarige französische Brüder geleiteten die Brüder Beamten der neuen Feldloge in den kleinen halberhellten Tempel der Loge „Justice et vérité". Hier richtete Br. Ch. …, der Altmeister der Loge, einige Worte an die deutschen Brüder. Einfach und voll Würde legte er dar, mit welchen Empfindungen die französischen Brüder uns ihren Tempel öffnen, die wir, im Schmucke der deutschen Waffen, Feinde seines Vaterlandes, aber doch versehen mit den teuren Wahrzeichen unseres großen Menschheitsbundes, Einlaß begehrten. „Vous êtes les plus heureux en ce moment, mes frères." („Ihr seid die Glücklicheren in diesem Augenblick, meine Brüder!") Diese einfachen Worte drangen uns allen ins Herz, und wir glaubten dem ehrwürdigen Bruder in unmittelbarer Empfindung, daß bei allem Schmerz die Übergabe des Tempels an uns gern und in brüderlicher Gesinnung erfolgte, weil es ja die gleiche K. K. sei, die über alle Hindernisse hinweg die Maurer in dem Tempel sammle. –
Der Stuhlmeister unserer neuen Feldloge, Br. W. Ohr, dankte dem ehrwürdigen Redner in bewegten Worten.
Er pries die K. K., die es möglich mache, solch einen Augenblick zu erleben, der den Beweis liefere, daß gerade die furchtbarsten Krisen, denen die Menschheit unterworfen sei, alle die Kräfte entwickeln, die die innersten Triebfedern zum Aufbau des Menschheitstempels bewegen. Ein schlichter Gruß und Gegengruß nach Maurerart beschloß die kurze Szene, die uns allen, die wir teilnahmen, unvergeßlich bleiben wird. –
Es darf hinzugefügt werden, daß das geistige Leben in der neuen Feldloge außerordentlich regsam ist. Jeden Samstag findet eine Konferenzloge im Klubhaus, Rue Villebois Mareuil 3, jeden Sonntag eine Arbeit im Tempel (Boulevard du 8. Octobre 24) statt. Bisher wurden in den Konferenzlogen an der Hand von Arbeiten einzelner folgende Themata behandelt: 1. Bismarck und die K. K., 2. Welche Pflichten hat der Bruder Freimaurer als Deutscher gegenüber den Brüdern Freimaurern der mit uns im Kriege liegenden Nationen? 3. Wie vereinigt sich der Gedanke der Humanität für den Bruder Freimaurer mit seinen Pflichten als Soldat im Kriege? (Sehr, sehr interessant! Siehe Br. Rosenthal!! F. H.)
Die drei bisher abgehaltenen Tempelarbeiten waren gewidmet a) der Eröffnung der Feldloge (Zeichnung von Br. Witt-Hoë), b) der Verpflichtung der Beamten (Zeichnung von Br. Witt-Hoë), c) der Osterfeier (Zeichnung von Br. Ohr über den inneren Sinn der deutschen Volksentwicklung).
Die Festzeichnung von Br. Witt-Hoë bei der Eröffnungsfeier wird in dem in Vorbereitung befindlichen Gründungsbericht einer größeren maurerischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Sieben bis dreizehn Brüder im Durchschnitt, etwa 20 Brüder in St. Quentin und Umgebung sind uns jetzt bekannt.“

Weitere Berichte

Weitere Berichte erschienen dann in der „Bauhütte", Nr. 23 vom 5. Juni 1915, die besonders dadurch interessant wirken, weil man sich in ihnen wegen der Bemerkungen des Brs. Ott in Nr. 15 entschuldigt, die dieser über die Zustände in den Freimaurerlogen in Frankreich machte.

Wir können diese Berichtigung auch als wertvolle Ergänzung der Ausführungen Br. Rosenthals in Lüttich über die Frage „Zwingt der Weltkrieg dazu, freimaurerische Grundgedanken aufzugeben oder einzuschränken?" ansehen.

Hören wir nun wieder die „Bauhütte":

Bemerkungen zur "Feldlogengründung" in St. Quentin
Zu dem Artikel „Feldlogengründung" von Br. Fr. Ott in Nr. 15 der „Bauhütte" bitten Stuhlmeister und Beamtenrat der Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme", Or. St. Quentin, um Aufnahme folgender Bemerkungen:
Der von Ihnen veröffentlichte Brief könnte zu Mißverständnissen Veranlassung geben. Die Feldloge heißt: „Feldloge zum aufgehenden Licht an der Sommer nicht aber „Carl". Unsere Mutterloge ist die Loge „Zum aufgehenden Licht an der Isar" im Or. München.
Der geschilderte ungünstige Eindruck des französischen Tempels entspricht nicht den Empfindungen der Brüder. Wenn wir den Tempel nicht in Ordnung fanden, so lag das daran, daß er etwa dreiviertel Jahr unbenutzt gewesen war. Die Loge war durchaus nicht „im Verfall", sondern in gutem Zustand. Das Innere des Tempels ist von starker intimer Wirkung, so daß wir uns außerordentlich wohl darin fühlten.
Der Satz, wonach die Logenmittel der St. Quentiner Logen „lediglich zum Zwecke der Hetzerei gegen uns und zur Schürung des Revanchegedankens verwendet worden sind", kann nicht bewiesen werden, und ist gerade darum höchst bedauerlich, weil aus politischen Gründen die Trennung der Großlogen stattfand. Gerade jetzt (Im Krieg! F. H.) muß die deutsche Freimaurerei alles vermeiden, was als eine Verdächtigung (!) nichtdeutscher Logen aufgefaßt werden könnte. Das sind wir der deutschen Ehre schuldig. (!)
Gegen Schluß des Briefes laufen noch zwei kleine Irrtümer unter. Das der Eröffnungsfeier folgende Mittagessen im „Hotel Moderne" darf kein Brudermahl genannt werden, da es im offenen Lokal stattfand. Unsere Konferenzloge und Klubabende finden nicht im „Krieger- und Soldatenheim" statt, sondern in dem Haus der Société Académique, rue Villebois Mareuil 9.
Berichtigung mußte erfolgen, da wir diese Irrtümer nicht wirken und die von den anderen Brüdern abweichenden Auffassungen nicht unwidersprochen lassen dürfen.
Mit herzlichen brüderlichen Grüßen
gez. Br. W. Ohr, Mstr. v. St.

Diese Berichte aus der „Bauhütte" bedürfen wohl keiner näheren Erläuterung. Der freimaurerische Grundgedanke, von dem wir den Br. Rosenthal in Lüttich sprechen hörten, wurde auch in St. Quentin, wie man sieht, weder aufgegeben noch eingeschränkt.

Auch das „Bayreuther Bundesblatt" berichtet über die Feldloge St. Quentin. Wir lesen dort in Nr. 9, XV. Jahrg., Bayreuth, Juni 1915, Seite 304, u. a. folgendes:

„Wie schon mitgeteilt, finden die Tempelarbeiten im Tempel der französischen Loge „Justice et vérité'", Boulevard du 8. Octobre No. 24, statt. Dieser Tempel ist von den französischen Brüdern der Feldloge zur Verfügung gestellt worden. Da die französische Loge während des Krieges nicht arbeitet und eine Beteiligung französischer Brüder an den deutschen Arbeiten wegen des Abbruchs der maurerischen Beziehungen seitens der französischen Großlogen (! also die „deutschen" hätten nicht abgebrochen l F. H.) nicht stattfinden kann, steht dieses Gebäude völlig zur Verfügung der Feldloge, die ja in den Räumen der Société Académique, rue Villebois Mareuil No. 9, ihr eigenes Logenheim besitzt."

Aus der „Leuchte`, „Unabhängige, kritische Monatsschrift für die deutsche Freimaurerei", Nr. 4, 7. Jahrg., Lennep, April 1916, erfahren wir dann:

Seite 53:
„- Feldloge in St. Quentin. Die Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" i. Or. St. Quentin feierte am 14. März ihren Gründungstag. Die Feldloge, in deren Matrikel jetzt 60 Namen eingetragen sind, kann auf ihr erstes Jahr mit Freude und Dankbarkeit zurückblicken. Ihre Hauptaufgabe, deutschen Brüdern Gelegenheit zu maurer. Arbeit zu gewähren, hat sie in schönster Weise gelöst. Ohne Sommerpause hat die Feldloge im Tempel der während des Krieges ruhenden französischen Loge „Justice et Vérité" zu St. Quentin in den drei Johannisgraden gearbeitet. Fünf SS (Suchende, F. H.) sind aufgenommen, fünf Lehrlinge sind befördert, zwei Gesellen sind erhoben worden."
Seite 54:
„Die Leitung der Feldloge lag in den Händen von Br. Oberleutnant Ohr als 1. Mstr. v. St. und Br. Hauptmann Witt-Hoë als zug. M. v. St. Im Herbst wurde Br. Witt-Hoë in den stellv. Gr. Generalstab versetzt und im Dezember ging Br. Ohr an die Front, so daß jetzt Br. Oberstabsarzt Dr. Schemmel den ersten, Br. Armeepostinspektor Krüger den zweiten Hammer führt und Br. Dr. Fischel 2. zug. M. v. St. ist."
Seite 54:
„Die Adresse der Feldloge lautet jetzt: Oberstabsarzt Dr. Schemmel, Kriegslazarett, Abt. I/VII. Etapp.-Insp. 2.

Denselben Bericht brachte das „Bayreuther Bundesblatt" Nr. 7, XVI. Jahrg., April 1916 (die zitierten Stellen siehe dort Seite 208, 209, 210).

Ludendorff, der „Verleumder“

Unsere Abbildung Nr. 52 zeigt die Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" bei der Arbeit, und zwar bei einer der ersten Logensitzungen. Dieses selbe Bild veröffentlichte General Ludendorff am 16. Oktober 1927 in Nr. 42 der „Deutschen Wochenschau". Er nannte dabei auch die Namen der darauf befindlichen Brr., bezeichnete aber irrtümlicherweise den Zivilisten als „französischen" Br. Da erhoben die Logen ein wildes Entrüstungsgeschrei, erklärten den General für einen Verleumder und der Zivilist - Br. Sparr aus Cuxhaven - machte dem General den Prozeß.
In der ersten Instanz wurde Ludendorff verurteilt. Die Logen verkündeten jubelnd, daß der „Verleumder Ludendorff" der Lüge überführt worden sei. In der zweiten Instanz wurde General Ludendorff freigesprochen, denn mit Recht führte er aus, daß eine Beleidigung des Herrn Sparr in diesem Falle doch überhaupt nicht in Frage kommen könne, zumal er in der „Deutschen Wochenschau" den rechts von dem Zivilisten stehenden Soldaten als Herrn Sparr bezeichnet hatte. Dieser Soldat, oder besser „Soldat", war aber, wie sich dann herausstellte, nicht der Herr Sparr, sondern der Jude Epstein, Frankfurt a. M., Börsenstr. 2/4.
In diesem Prozeß wurde auch der derzeitige stellv. Meister vom Stuhl der Feldloge von St. Quentin, der Br. Witt-Hoë, vernommen und schwor dabei einen Meineid. (Wir kommen auf diese Angelegenheit später zurück.)
Als General Ludendorff in der zweiten Instanz freigesprochen worden war, vermieden die Freimaurer sorgfältig, dies der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sondern ließen alle Welt in dem Glauben, als sei der Feldherr tatsächlich „der Lüge überführt" worden. Ich halte es für selbstverständlich, auf diese Dinge hier zu verweisen, denn General Ludendorff hat sich mit der Veröffentlichung des damals bekannten Materials über die Feldloge in St. Qüentin ein ganz besonderes Verdienst erworben (1).

Bomben auf den Tempel Salomos

Am 30, Juni 1916 geschah etwas ganz Fürchterliches: eine französische Fliegerbombe traf das Logenhaus der „Justice et Vérité" in St. Quentin, in dem, wie wir schon hörten, die Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" zu arbeiten pflegte. Alles ging in Trümmer. Der Bericht über dieses welterschütternde Ereignis machte die Runde durch die ganze Freimaurerpresse. Darin heißt es u. a.:

„Nur noch die Vorderwand steht, alles übrige ist in Schutt und Asche verwandelt. Die Aufsehertische sind in sich zusammengesunken, die in ihnen enthaltenen Werkzeuge und Bekleidungsstücke sind durch restloses Verbrennen dem profanen Auge entzogen. Nur liegt, wie ein Symbol der Verschwiegenheit, auf jedem Aschenhaufen das eiserne Schloß, das dem Untergang standgehalten hat.
Die Büste der französischen Republik, die an der Wand des Tempels stand und von den deutschen Brüdern pietätvoll an ihrem Platze gelassen war, liegt - von den Franzosen oder ihren Verbündeten zerschlagen - am Boden."

(„Bayreuther Bundesblatt", Nr. 12, XVI. Jahrgang, Bayreuth, September 1916, Seite 385.) Die Brr. in Deutschland brauchten also keine Sorge zu haben: alles war richtig verbrannt, kein „Profaner" (Nichtfreimaurer) konnte etwas finden! Im übrigen verträgt der „Tempel Salomos" anscheinend keine Fliegerbomben.

Doch schon vorher traf eine andere „Bombe" das „aufgehende Licht an der Somme".

Kriegsverrat

In der „Leuchte" Nr. 11, 6. Jahrg., Lennep, November 1915, Seite 131, Spalte 2, findet man folgende, durch besonderen Druck hervorgehobene „Warnung", die wir ihrer Bedeutung wegen hier nicht nur in ungekürztem Text, sondern auch zeilen- und satzgetreu wie im Original wiedergeben:


Warnung!

Die Feldloge „Zum aufgehenden Licht
an der Somme“, i. Or. St. Quentin, bittet uns, alle
deutschen Logen darauf aufmerksam zu machen,
daß jede Nachrichtenvermittlung zwischen den
Einwohnern der von den Deutschen besetzten
Gebieten und den nicht besetzten Gebieten
feindlicher Staaten wegen der Spionagegefahr
verboten ist
. Versuche aus neutralen (!) Staaten,
durch Anrufung maurerischer Ideale solche Nach-
richten durch unsere Brr. im Felde zu erlangen,
müssen rundweg abgelehnt werden. Auf keinen
Fall darf eine Loge ihre in deutschem Heeresdienst
stehenden Mitglieder nach Personalia des besetzten
Gebietes zu befragen oder befragen lassen, da diesen
Mitgliedern durch Dienstbefehl eine Beantwortung

solcher Fragen verboten ist.


Das mußte „treudeutschen" Freimaurern erst gesagt werden! Wer denkt jetzt nicht unwillkürlich an die bei der Untersuchung der Feldloge in Lüttich festgestellten Fragen, die der Großmeister Schilling bezüglich des Dienstranges und der militärischen Verwendung der Brr. am 16. Januar 1915 an Br. Rosenthal richtete!
Doch es kam noch ärger: Die Feldloge wurde 1917 wegen Gefährdung der militärischen Sicherheit durch die Etappenkommandantur St. Quentin zwangsweise geschlossen!

Im „Bayreuther Bundesblatt" Nr. 11, XVIII. Jahrg., Bayreuth, Januar 1918, Seite 21, lesen wir wörtlich folgendes:

„Wir entnehmen einem Feldpostbrief von Br. Bonsmann in der „Zirkel-Korresp.", daß die Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" in St. Quentin aus militärischen Gründen vor einiger Zeit von der Militärbehörde geschlossen wurde."

Dieselbe Mitteilung brachte die „Bauhütte" in ihrer Nr. 10 vom 9. März 1918. Auch die Denkschrift der Mutterloge der Feldloge von St. Quentin „Bilder aus dem Leben der Münchener und bayerischen Logen, zum 25. Stiftungsfest der Loge „Zum aufgehenden Licht an der Isar", München, 19. März 1927" (Gr. Mutterl. des Eklektischen Freimaurerbundes, Frankfurt a. M.) erwähnt Seite 170 ausdrücklich das Verbot der Feldloge durch Etappenkommandeur von Nieber, läßt aber keinen Zweifel darüber, daß die Brr. sich trotzdem heimlich weiterhin zusammenfanden.

Interessant ist auch folgender in der ganzen Freimaurerpresse verbreiteter Aufruf, den wir nach Nr. 5/6, XIX. Jahrg., Mai/Juni 1919 des „Bayreuther Bundesblatt", Seite 175, zitieren:

„- Mitglieder der ehemaligen Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" in St. Quentin oder deren Heimatlogen werden im Auftrage des letzten Stuhlmeisters herzlichst gebeten, ihre Heimatadressen mit einigen Zeilen über ihr Ergehen an Unterzeichneten zu senden, der weitere Mitteilungen machen wird. Angabe, ob im Besitze des Feldlogenabzeichens, ist erwünscht.
Fritz Epstein, Frankfurt a. M.,
Börsenstraße 2/4."

Zusammenfassung

Die bislang über das Treiben der Feldlogen hier ermittelten, den Titel unseres Buches in jeder Weise rechtfertigenden Tatsachen wurden von freimaurerischer Seite sorgfältig verschwiegen und das Gegenteil davon der Öffentlichkeit erzählt. So finden wir in dem schon genannten Lügenbrevier „Die Vernichtung der Unwahrheiten über die Freimaurerei", das 1929 in 4. Auflage im Verlag des „Vereins deutscher Freimaurer" erschien, Seite 17/18:

„Die Gründung von Feldlogen ist ein Zeichen dafür, daß die deutsche Freimaurerei unzerstörbare Kräfte in sich birgt, die auch in schwersten Kriegszeiten nicht versagen, sondern ihren Jüngern Rückhalt, Erhebung und Ansporn zu echtem deutschen Tun bieten, so daß von ihnen ein heilsamer Einfluß auch auf das deutsche Volk ausstrahlen kann und ausgestrahlt ist."

Wir überlassen es dem Leser, sich selbst ein Urteil über diese Verherrlichung der Feldlogenarbeit zu bilden. Die bisher gewiesenen Akten zeigen jedenfalls, daß an diesem „deutschen" Geist und seinen „Ausstrahlungen" Deutschland weder gesunden noch erstarken konnte, und daß es für den Nationalsozialismus ein Gebot der Selbsterhaltung war, die Freimaurerlogen zu verbieten.

Anmerkung

1) Ebenfalls Mitglied der Feldloge „Zum aufgehenden Licht an der Somme" war Br. Veith, der zweite Aufseher der Loge „Friedrich Wilhelm zur Glückseligkeit" in Schmalkalden, der dies selbst in der von ihm als späterer stellv. Meister vom Stuhl bearbeiteten Festschrift zur 50jährigen Jubelfeier der Johannisloge „Friedrich Wilhelm zur Glückseligkeit" i. Or. Schmalkalden, 1928, Seite 45, feststellt.