Traktat: "Das Erbe des FzaS und der Reformfreimaurerei" von Gert Kotter

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Vorwort

Freimaurerei ist ein vernunftgeborenes zeitgeschichtliches Phänomen. Sie hat weder Offenbarungscharakter noch Erlösungsanspruch. Sie muss weder geglaubt, noch bekannt und dennoch – wenn möglich - gelebt werden.

Freimaurerei ist mit wissenschaftlicher Methodik beschreibbar. Sie ist in ihrer Entstehung und ihren im geschichtlichen Verlauf eintretenden Ausformungen als Ergebnis gesellschaftlicher Erfordernisse, Brüche und Wandlungen verstehbar.

Ich werde deshalb zunächst die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und geistesgeschichtlichen Voraussetzungen benennen, die zur Entstehung der ursprünglichen englischen Freimaurerei führten. Sodann – aus der gleichen Perspektive – die Entstehung und Entwicklung der spezifisch deutschen Freimaurerei in der Zeit von 1737 bis 1935 betrachten um dann Geschichte und Notwendigkeit der Reformfreimaurerei in der Zeit von 1907 – 1933 zu erarbeiten. Am Schluss steht ein Ausblick auf Gegenwart und Zukunft der Freimaurerei in Deutschland.

Grundströmungen der FM.

Zwei Hauptrichtungen kennzeichnen die Freimaurerei. Da ist die eine, die sich – wie Klaus-Jürgen Grün schreibt – aus dem englischen Deismus und den der französischen Aufklärung entstammenden Vernunftlehren entwickelt und ihren Höhepunkt in der Kritik der reinen Vernunft eines Emanuel Kant findet. Denn nichts war aus derer Sicht „besser geeignet, die Macht der Priester, Theologen und Herrscher von Gottes Gnaden zu entmachten, als der Glaube an die absolute Vernunft“

Und da sind auf der anderen Seite jene Brüder, die in Abkehr vom erstarrten Machtapparat des kirchlichen Christentums den Anspruch erhoben, besser als die Kurie über Gott Bescheid zu wissen und dieses Wissen zeitweise durch magisch-alchemistische und naturheilkundliche Lehren zu erweitern suchten. Richtet die religiöse Freimaurerei ihren Erkenntnisanspruch auf die Erkenntnis Gottes und glaubt, in den unveränderlich gültigen Überlieferungen religiöser Berichte etwas Wirkliches über ihn erfahren zu können, so betrachtet die humanitäre Freimaurerei diese Auskünfte über Gott lediglich als Auskünfte über den Menschen selbst. Ohne - wichtig zu erwähnen - damit zugleich eine Aussage zu treffen zur Frage der Existenz oder Nichtexistenz Gottes. Es wird den Leser nicht verwundern, dass ich eher der 2. Auffassung zuneige.

England, Mutterland der Freimaurerei

Schauen wir zunächst auf England, das Mutterland der Freimaurerei: 100 Jahre blutiger, religiös überlagerter Bürgerkriege hatten ein einheitliches Staatsgebilde geschaffen und mündeten nun in eine Zeit relativen Wohlstandes und Friedens. Die Bauernbefreiung, entscheidender Schritt aus einer Agrar- in eine beginnende Industriegesellschaft, hatte bereits stattgefunden. Es existierte ein bürgerlich – politisches Selbstbewusstsein in den wohlhabenden (1. Empire) und gebildeten Schichten. Auch wenn (nach der Ära Cromwell) das Königtum re – installiert worden war: die Erinnerung an die erste Republik lebte fort und der Weg in eine konstitutionelle Monarchie hatte längst begonnen. Und so stehen englische Philosophen, Naturforscher und die Staatsrechtsideen eines David Hume oder John Locke mit am Beginn der Aufklärung. Gerade in den Anfangsjahren der englischen FM bestand eine enge Verflechtung mit der damaligen Wissenschaftselite der Royal Society. Reine Vernunft, klar und methodisch angewendet, sollte den Menschen aus der Dunkelheit und dem selbstgebauten Gefängnis befreien, dessen Gitterstäbe religiöse Welterklärung und Aberglaube sind.

An der Schwelle zum 18. Jahrhundert stand die damalige englische Gesellschaft vor erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen. Abstieg des Adels, Aufstieg des Bürgertums. Der Besitz von Land und Menschen – bis dahin Machtbasis des Adels, verlor in der beginnenden Industrialisierung rapide an Bedeutung gegenüber Handel (1. Empire) und dem Besitz an Produktionsmitteln.

In dieser Zeit, beflügelt durch die neuen Ideen der Aufklärung und des Humanismus, erlangte das Konzept der Gleichheit, Vertraulichkeit und des offenen Wortes, wie es die Logen anboten, eine neue und gesellschaftlich immens wichtige Bedeutung. Im Wandel von der "Werkmaurerei" zur "spekulativen Maurerei" übernahmen Logen die Funktion eines sozialen Transferraumes. Und wurden auf diese Weise zu einem Moderator und Reaktor gesellschaftlichen Wandels

Ob Wissenschaftler, Philosoph, Fürst oder Bürger – in der Loge begegnete man sich als Bruder und sprach miteinander auf gleicher Ebene. Neue Ideen und ethische Fragen konnten offen debattiert werden.

Und weil die Erinnerung an die bittere Epoche 100 Jähriger religiöser Kriege in den Köpfen aller noch so lebendig war gehört das Bekenntnis zur weltanschaulichen Neutralität und Toleranz gegenüber anderen Weltsichten von Beginn an zum Kernbestand freimaurerischer Identität.

Und wenn es in der Andersonschen Konstitution von 1723 heißt: „Der Maurer ist allein zu jener Religion verpflichtet In der ALLE Menschen übereinstimmen“, dann ist der Grund dieser Haltung in dem oben beschriebenen Trauma zu suchen.

Wie alte Quellen zeigen - und im Gegensatz zur späteren deutschen Freimaurerei – gab es von Beginn an niemals ein „Judenproblem“ oder Vorbehalte gegen Brüder anderer religiöser Minderheiten (Lenning: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei) Um diese Haltung zu verstehen ist auch ein Blick auf die Personen von James Anderson und Lord Montagu hilfreich: Der eine ein sogenannter Dissenter – Angehöriger einer religiösen Minderheit - Der andere soll hugenottischen Ursprunges sein.

Entwicklungsvoraussetzungen und Entwicklung in Deutschland

1737 - 20 Jahre nach Gründung der englischen Grossloge entstand mit Absalom zu den 3 Nesseln die erste deutsche Loge. Anders als England war Deutschland damals ein Gebiet wirtschaftlicher, politischer, sozialer - auch geistiger Rückständigkeit. Wenn wir von „Deutschland“ reden, dann sprechen wir zu diesem Zeitpunkt noch vom „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“. 300 selbstständige – dazu noch evangelisch vs katholisch gespaltene Territorien, verbreitete Leibeigenschaft der bäuerlichen Bevölkerung, kein einheitliches Verwaltungs-, Verfassungs- und Rechtssystem. Das deutsche 18. Jahrhundert ist geprägt durch mehr als 20 Jahre Krieg, in wechselnden Koalitionen auch mit anderen europäischen Mächten. (1701 - 1714 Spanischer Erbfolgekrieg, 1740 - 1748 Österreichischer Erbfolgekrieg, 1756 - 1763 siebenjähriger Krieg) Wir müssen uns nur das Resultat merken: Niedergang (Habsburgs) Österreichs, Aufstieg Preußens. 1806 erst endete in den napoleonischen Kriegen das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, 1807 entfiel die Leibeigenschaft in Preußen, 1812 erhielten Juden dort das Bürgerrecht (Stein - Hardenbergsche Reformen) und in Teilen des späteren deutschen Reiches vollendete erst die Reichsgründung die rechtliche Judenemanzipation. In den Köpfen brauchte es deutlich länger. Mit einem Wort: Erstarrung und Rückständigkeit in vielen Bereichen.

1738 - ein Jahr nach ihrer Gründung - erfolgte die Aufnahme des Kronprinzen Friedrich in die Loge Absalom zu den drei Nesseln. Mit dessen Thronbesteigung können Aufstieg und Entwicklung der Freimaurerei in Deutschland nicht mehr gedacht werden ohne die Protektion der Preußischen Herrscher und deren Aufstieg zur militärischen und politischen Hegemonialmacht. Und so sehr es zunächst ein Glücksfall war, in Friedrich dem Großen einen entschiedenen Förderer der Freimaurerei zu haben, so hatte dies doch zugleich auch eine - in späterer Zeit sich verhängnisvoll auswirkende - Bindung an den Thron preußischen Königs- und Kaisertums zur Folge. Zunächst aber sehen wir in den folgenden 50 Jahren einen rasanten Aufstieg mit ca. 400 Logengründungen und 25.000 Brüdern.

Gleichzeitig stieg Preussen zur militärischen und politischen Hegemonialmacht Deutschands auf. Und am Ende waren es eben nicht die demokratischen Ideen der Deutschen Revolution 1848 , die eine staatliche Einheit herbeiführten, sondern der preußische Militarismus und ein Königtum von Gottes Gnaden. Gekrönt wurde dieser Prozess 1870/71 durch die preußisch dominierte deutsche Reichsgründung.

Die starke nationale Begeisterung jener Zeit löste eine zweite Logen- Gründungswelle aus. Jene Logen verstanden sich mehrheitlich als staatstragende Übungsstätten von Bürgertugenden wie Anstand, Respekt, Hilfsbereitschaft und vor allem auch Vaterlandsliebe. Die gesellschaftliche Rolle der Freimaurerei, insbesondere jene der dominierenden Altpreußen, basierte auf ihrer Treue zum und der Protektion durch den preussischen Thron. Mehr als 300 Neugründungen sind von 1871 – 1925 nachweisbar, die Zahl der Logenmitglieder erreichte 1925 einen Höchststand von 80.000 Brüdern. Mit dem späteren demokratischen Staat von Weimar hingegen fremdelte ein Großteil der Brüder. Bestenfalls. Doch davon später mehr.

Ohnehin hatte sich die deutsche Freimaurerei seit ihren Anfängen 1737 – und spätestens nach der Reichsgründung 1870/71 - erheblich inhaltlich und soziologisch-politisch gewandelt.

Das kosmopolitische Selbstverständnis der Anfänge war einer national-vaterländischen Grundhaltung gewichen. Sicherlich auch bedingt durch die verzögerte und zum Teil von außen u.a. durch die napoleonischen Kriege erzwungene Entwicklung. Franzosenhass war einer der Katalysatoren sowohl der Reichsgründung als auch später des ersten Weltkrieges. Am Ende wurde kosmopolitisch zu denken und zu handeln gar polemisch umgedeutet in den Begriff der Vaterlandslosigkeit.

1782 löste mit dem Zusammenbruch der Strikten Observanz – das Bürgertum den Adels endgültig als dominierendes Element der FM ab. In seiner Blütezeit das erfolgreichste und größte freimaurerischen System in Deutschland, handelte es sich dabei um ein Hochgradsystem, das sich auf den – erwiesenermaßen gefälschten - Nachweis einer Abstammung vom Templerorden berief.

Die Idee, Freimaurerei als christlichen Ritterorden zu denken, war indes so verführerisch, dass sie bis heute fortlebt. Hatte doch dadurch auch das Bürgertum Zugang zu hochtrabenden Titeln und Zeremonien und konnte auf diese Weise der Banalität des eigenen Daseins Glanz und Würde verleihen. Voltaire – wie gewohnt spitzzüngig: »Je freier ein Volk ist, desto weniger Zeremonien hat es.«  Wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, dann ist dies eine Gefahr, die allen hierarchischen Systemen droht. Und damit insbesondere den Hochgradsystemen. Grundlage dieser christlichen Lehrart bildet die in der Heiligen Schrift offenbarte Lehre Jesu Christi. Durch die christliche FM soll (nach Zinnendorf) der Einzelne zu einem innerlich freien Menschen erzogen werden, der den Glauben an Gott und die Unsterblichkeit der Seele als Postulat der Vernunft anerkennt. Mit der ursprünglichen und weltanschaulich neutralen „englischen“ Freimaurerei mit ihren 3 Graden hat das Ganze natürlich nicht mehr viel zu tun.

Dass dennoch diese Lehrart bis zum Beginn des 2. Weltkrieges in weitgehender Monokultur die beherrschende Lehrart in Deutschland war, liegt daran, dass von 1798 an für fast 100 Jahre allein ihnen - den sogenannten altpreußischen Logen –das Recht zustand, im preußischen Staatsgebiet Logen zu gründen. Erst 1893 gelang es Hermann Settegast (im sog. Settegast-Prozess, bei dem es im Kern um die Frage des Umganges mit jüdischen Brüdern ging) vor dem preußischen OvG die Aufhebung dieses königlichen Privilegs zu erreichen.

Das altpreussisch - christliche Monopol

Die Altpreußen , das waren die Große National – Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ von 1744, die „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ von 1774, sowie die „Große Loge von Preußen“, („Royal York zur Freundschaft“) von 1798.

Ihnen gegenüber stand – in rel. stabilen Zahlenverhältnissen bis 1935 –nur eine kleine Minderheit sogenannter „humanitärer“ Großlogen. Dies waren die Große Loge von Hamburg (Tochterloge Absalom 1737) von 1740, die Große Landesloge von Sachsen v. 1811, die Großloge zur Sonne von 1741, Die Mutterloge des Eklektischen Bundes zu Frankfurt von 1823, die Große Freimaurerloge zur Eintracht (Darmstadt) von 1848 sowie ein seit 1883 bestehender freier Zusammenschluss von 5 Logen. Sozial dominierte um 1900 – quer durch alle Lehrarten – das gehobene Bürgertum. Die religiöse Struktur war - anders als in der Anfangszeit – mit 90% weit überwiegend protestantisch (kath.: 3,2% & 6% jüdisch). Dies erklärt sich als Resultat antifreimaurerischer Propaganda der katholischen Kirche einerseits, aber auch als Folge des Kulturkampfes des preußischen Staates gegen die katholische Kirche ab 1871. Man kann für die Zeit um 1900 durchaus von einer Art protestantisch – preußischer Staatsfreimaurerei sprechen. Von einer lehrartlichen Monokultur, die Menschen anderer Glaubensbekenntnisse – insbesondere solche mosaischen Glaubens – systematisch den Zutritt verwehrte. Und damit im Einklang stand mit einem in weiten bürgerlichen Schichten offen oder heimlich praktizierten Antisemitismus.

Es ist die „christliche Frage“, die die entscheidende Trennlinie bildet zur damaligen Minderheitenposition der "Humanitären". Nach Anderson ist der Maurer verpflichtet „zu der Religion, in der alle Menschen übereinstimmen“. Nach Auffassung der Altpreussen konnten und können damit nur die verschiedenen Formen christlicher Religion gemeint sein. Und zwar exakt in der Form, in der sie als Lehre Christi in der Heiligen Schrift niedergelegt ist. Das führt dazu, dass eigentlich Nichtchristen nicht aufgenommen werden dürfen – bis heute. „Royal York zur Freundschaft“ setzte zwar das christliche Prinzip für 100 Jahre bis 1924 aus – aber nur für die unteren Grade. Dann wurde es – völkischem Geist folgend – wieder eingeführt und die jüdischen Brüder hinausgedrängt.

Nach Auffassung der Humanitären hingegen bezieht sich die von Anderson geforderte religiöse Toleranz auf alle Glaubensbekenntnisse, insbesondere auch die nicht christlichen. Auch die Humanitären legen die Bibel auf. Aber dies tun sie eben nicht als Zeichen des Glaubens an einen persönlichen Christengott oder die dogmatische Bindung an eine bestimmte Konfession. Sondern als Symbol des Glaubens an eine göttliche Weltordnung.

Insbesondere in der Zeit des ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik wurde zudem die Frage des Verhältnisses der FM zum Staat bedeutsam. Im Abschnitt II der Alten Pflichten von 1723 schreibt Anderson: „Ein Maurer ist ein friedfertiger Untertan der bürgerlichen Gewalt“ und „sollte ein Bruder Empörer gegen den Staat sein, so ist er in seiner Empörung nicht zu bestärken“. An der Interpretation dieses Satzes im Hinblick auf das Verhältnis des Freimaurers zur Obrigkeit und zum Staat, zeigt sich eine zweite Bruchlinie zwischen den Altpreußen und einem Teil der Humanitären, sowie im Verhältnis zum FzaS und der symbolischen Großloge.

Die deutsche Mehrheitsfreimaurerei um 1900 war geprägt von devotem Untertanengeist dem Landesherrn und Protektor gegenüber. Als Beispiel – davon gibt es viele – hier die Grussadresse des Deutschen Grosslogenbundes an Kaiser Wilhelm I (zu seinem 90. Geburtstag 1897):

 
„Allerdurchlauchtigster, Großmächtiger Kaiser! Hochwürdigster Protektor!
Ew. Kaiserliche Majestät wollen huldreichst geruhen,
an dem heutigen Tage,
an welchem das ganze deutsche Volk
in dankbarer Verehrung auf seinen Kaiser blickt,
auch die Glück- und Segenswünsche
des deutschen Großlogenbundes entgegen zunehmen.
Was an Ruhm und Macht,
an Größe und Herrlichkeit
einem Sterblichen verliehen werden kann,
ist Ew. Majestät zu Theil geworden.
Aber nicht der Kaiserliche Glanz
zieht heute das Volk zu dem Throne seines Herrschers,
das Volk betet heute für seinen Vater
und dankt Ihm in kindlicher Liebe
für die Güte und Milde,
für die Treue und das Wohlwollen,
für alle Sorge und Huld,
welches es von Ihm erfahren hat.
Das Reich, welches Ew. Majestät geschaffen haben,
wurzelt in den Herzen aller Untertanen,
es wird groß und mächtig bleiben,
wie die Liebe des
Volkes zu seinem Kaiser unvergänglich ist.
Der G.B.a.W. segne und erhalte Ew. Majestät noch viele Jahre in der geistigen Frische und der körperlichen Rüstigkeit,
auf welche die ganze Welt mit Bewunderung sieht,
zum Heile unseres theuren Vaterlandes."

Für weite Kreise der etablierten Freimaurerei traf damals zu, was der spätere Reichsaussenminister und Logenbruder Walther Rathenau rückblickend formulierte: Das Bürgertum habe eine schmachvolle Haltung und eine geistige Verräterei gezeigt, weil es "durch Beziehungen und Vergünstigungen preiswert bestochen, seinen Vorteil im Ankriechen an die herrschende Schicht und in der Lobpreisung des Bestehenden suchte." Hätte Bruder Rathenau die Jahre ab 1933 noch erlebt – er wurde 1922 vom rechten Terror ermordet – dann hätte er über die deutsche – insbesondere die spätere deutsch – christliche Freimaurerei sicherlich noch härter geurteilt.

Und so ist es kein Wunder, dass auch nach 1918 die deutsche Mehrheitsfreimaurerei weiterhin ihrem - nun ehemaligen - Landesherrn verbunden war. Tiefverwurzelt in der Idee gottgewollter Monarchie und nationaler Größe waren sie außerstande, die notwendigen Folgerungen aus der Katastrophe des ersten Weltkrieges zu ziehen und der ersten Republik zu der Stütze zu werden, derer sie so dringend bedurft hätte. Im Gegenteil zeigten sie eine fatale Anfälligkeit für national- völkisches und antisemitisches Gedankengut.

Traditionell stehen viele humanitäre Logen Hochgradsystemen  eher distanziert gegenüber. Sie kritisieren die  starke Hierarchisierung und eine erhöhte Anfälligkeit für autoritäre Entwicklungen

Und in der Tat hat die christlich freimaurerische Monokultur jener Zeit nicht mehr viel zu tun mit jener auf 3 Erkenntnisstufen und strikte weltanschauliche Neutralität angelegten  ursprünglichen „englischen“ Freimaurerei

Es gibt ernstzunehmende Autoren, die sogar noch einen Schritt weiter gehen

Anfänge und Entwicklung der Reformfreimaurerei

Freimaurerei ist … „ in ihrer Entstehung und ihren im geschichtlichen Verlauf eintretenden Ausformungen als Ergebnis gesellschaftlicher Erfordernisse, Brüche und Wandlungen verstehbar.

„Die Jahrzehnte vor dem ersten Weltkrieg waren voller Neuanfang“.

Dieser Satz beschreibt recht gut den Wunsch nach Erneuerung und die Aufbruchsstimmung jener Zeit, die Teile der Gesellschaft in Abkehr von den verkrusteten Verhältnisse ergriffen hatte. Bewegung und Bewegungen aller Orten: Jugendbewegung, Frauenbewegung, die Gewerkschaften, Reformpädagogik, Ernährungsreform, Kleidungsreform, Freikörperkultur, Gesundheitsreform – überall – auch in Kunst und Kultur, spürte man eine große Sehnsucht nach Erneuerung. In diese Reihe gehört auch die Reformfreimaurerei.

Aufbrüche gab es aber auch im reaktionären Spektrum. Hier paarten sich Kolonialismus, Militarismus und Antisemitismus. Und nicht selten fanden sich Forderungen zur Verbesserung der Volksgesundheit verbunden mit eugenischen und rassistischen Überlegungen.

Zu den Reformbestrebungen gehört die monistische Bewegung, die sich auf den Naturforscher Ernst Haeckel (1834-1919) bezieht. Nach deren Weltbild sind alle Phänomene rein wissenschaftlich (=aus einem Grund) erklärbar. Der Fortschritt der Wissenschaft macht den Glauben an einen Schöpfergott, an ein jenseitiges Leben nach dem Diesseits, letztlich Religion und Kirchen insgesamt überflüssig.

1906 gründete sich der deutschen Monistenbund, der in der Folge unter Wilhelm Ostwald eine sozialreformerische bis sozialistische Richtung einschlug zahlreiche prominente Mitglieder gewinnen konnte. Darunter Carl von Ossietzky und Wilhelm Ostwald.

Aus dem Umfeld des (später sozialreformerisch bis sozialistisch orientierten) deutschen Monistenbund bildete sich 1906 eine Deutsche Freidenkerloge, die sich 1907 in Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne (FzaS) umbenannte. Mutterloge wurde die bis heute bestehende Nürnberger Loge Zur Wahrheit

Man wollte Frei sein! Frei von einer klerikalen und nationalistischen Auslegung der Alten Pflichten Frei von starrem Bibelglauben Frei von einer die Monarchie als gottgegebene Staatsform anbetenden Form der Freimaurerei.

Und – da alle Dinge rein wissenschaftlich begründbar waren, brauchte man auch keinerlei transzendente Bezüge mehr zur Begründung der eigenen rituellen, gesellschaftlichen und ethischen Praxis.

Das war - aus Sicht der monokulturell etablierten vaterländisch – christlichen, Mehrheitsfreimaurerei - extrem anstößig. Und stellte zudem deren Machtanspruch radikal in Frage.

Gerade damit aber wollte man radikal brechen. Und im Eifer, die modrigen Zöpfe alter Vorstellungen endlich abzuschneiden, warf man vieles gleich mit über Bord. Arbeitskleidung, Schurz – die Grade II und III.

Denn weitere Grade - Hochgrade ohnehin -, seien im Grunde nichts anderes als der Versuch, eine Art freimaurerischen Adel zu schaffen. Sie dienten ausschließlich menschlicher Eitelkeit und verhinderten die Begegnung auf Augenhöhe.

Anstelle der Bibel legte man ein Buch mit leeren Seiten auf und verzichtete auf die Anrufung des großen Baumeisters.

Sicherlich muss man - siehe meine Eingangsthese - die Radikalität der damaligen Brüder auch als Antwort auf eine in Anbetung monarchischer Macht, verstaubten Zeremonien, wohlklingenden Titeln, Ehrenschärpen und Medaillen erstarrte Freimaurerei verstehen

Ähnlich wie in Frankreich war der FzaS dezidiert politisch  - sozial, internationalistisch und vor allem pazifistisch ausgerichtet.   Gerade deshalb hatte er eine hohe Anziehungskraft auf das linksliberal-bürgerlich- sozialdemokratisch sowie intellektuell -  künstlerische Milieu. Darunter große Namen wie  Karl von Ossietzky, Kurt Tucholsky, Wilhelm Ostwald und viele andere.  

1914 hatte er bereits 1.500 Mitglieder.

Im Rückblick bestehen wenig Zweifel, dass der „Freimaurerbund Zur Aufgehenden Sonne" rein formal mit der Streichung des GBAW, dem Verzicht auf die Bibel seine Bereitschaft, auch Atheisten aufzunehmen, sowie mit der Art seiner Gründung (ohne Patent) gegen eine Vielzahl von Regeln verstoßen hatte. Grundsatzerklärung des „Deutschen Großlogenbundes"aus dem Jahre 1878 „Der Freimaurerbund fordert von seinen Mitgliedern kein dogmatisch bestimmtes Gottesbekenntnis, und die Aufnahme der einzelnen Brüder wird nicht abhängig gemacht von einem religiösen Bekenntnis. Aber die freimaurerischen Symbole und die freimaurerischen Ideale weisen ausdrücklich auf Gott hin und wären ohne Gott unverständlich und unsinnig. Die Prinzipien und die Geschichte der Freimaurerei lehren und bezeugen Gott. Die Freimaurer verehren Gott im Bilde des Großen Baumeisters des Weltalls. Das dem Freimaurer heilige Sittengesetz hat seine tiefste und stärkste Wurzel in Gott. Würde die Freimaurerei abgelöst von der Gottesidee, so würde ihr ideales Bestreben überhaupt seine nachhaltige Kraft und sein höchstes Ziel verlieren und würde haltlos und ohnmächtig werden. Der Deutsche Großlogentag spricht daher im Namen des Deutschen Freimaurerbundes die Überzeugung aus, daß die Freimaurerloge, welche die Existenz Gottes bestreiten und verleugnen wollte, nicht als gerechte und vollkommene Loge anzusehen sei, und daß eine atheistische Freimaurerei aufgehört hat, eine Freimaurerei zu sein.") Anmerkung: Damit ist aber auch die Aufnahmepolitik der christlichen FM nicht mehr freimaurerisch!

General Regulations von 1720: „Sollte es eine Gruppe oder Anzahl von Brüdern unternehmen, eine Loge ohne ein Patent des Großmeisters zu gründen, so dürfen die regulären Logen keinen Verkehr mit ihnen aufnehmen, sie auch nicht als echte rechtmäßige Brüder anerkennen, noch ihre Handlungen und Taten billigen. Sie sind solange als Aufrührer anzusehen, bis sie sich wieder der Ordnung fügen, wie es der Großmeister in seiner Weisheit angeben wird, und bis er sie durch ein Patent anerkannt hat, das den anderen Logen mitgeteilt werden muß, wie es der Brauch ist, wenn eine neue Loge im Logenverzeichnis eingetragen werden soll."

Regularität war trotzt verschiedener Anpassungsversuche so jedenfalls nicht erreichbar.

Hinzu kam massiver Widerstand des altpreußisch dominierten Deutschen Grosslogenbundes. Nach der Niederlage Deutschlands wurde diese Auseinandersetzung seitens der Altpreußen mit noch größerer Unversöhnlichkeit geführt. Und mit zunehmender antidemokratischer und antisemitischer Konnotation gegen die humanitäre Freimaurerei im Allgemeinen und ihren ungeliebten Spross, den FzaS, im Besonderen.

1914 hatte zunächst vaterländische Begeisterung weite bürgerliche Kreise ergriffen.

Selbst kritische Geister aus der Reformfreimaurerei wie Heckel und Ostwald, ergingen sich anfangs in nationalistischen Tiraden, stießen aber schnell auf Widerspruch in den eigenen Reihen.

Nach der Niederlage 1918, dem Zusammenbruch der gottgewollten Monarchie, waren weite Teile des deutschen Bürgertums (und mit ihnen große Teile der deutschen FM) nur zu gern bereit, der Verschwörungstheorie zu folgen, dass die deutsche Armee – im Felde unbesiegt – von hinten erdolcht worden sei. Eine positive Haltung zur Weimarer Republik konnte der deutschen Mehrheitsfreimaurerei bis zuletzt nicht nachgesagt werden. Eher das Gegenteil.

Das Erstarken rechtsextremer Kräfte

Das Erstarken rechtsextremer Kräfte, politische Morde, ein in weiten bürgerlichen Kreisen präexistenter und mit der Krise bewusst angefachter Antisemitismus und die von Rechtsaußen (Ludendorff, NSDAP) neben dem Judentum auch gegen die „verjudete“ Freimaurerei vorgebrachten Angriffe und Verdächtigungen führten spätestens ab Beginn der 20er Jahre zu einer Intensivierung von aus heutiger Sicht teils bizarr anmutenden Anpassungs- und Abgrenzungsversuchen der Altpreußen gegen humanitäre und Reformfreimaurerei. Kritische Geister wurden ausgeschlossen, jüdische Brüder (diese gab es bei Royal Yorck bis 1924) heraus gedrängt.


Wie sehr bereits zu diesem Zeitpunkt national völkische Anschauungen im Genom der deutschen Mehrheitsfreimaurerei verankert waren, lässt sich mit einer Vielzahl von Zitaten belegen. Keineswegs handelt es sich - wie später gern behauptet – bei diesen Äußerungen um eine taktische Orientierung zur Überlebenssicherung im »Dritten Reich« .

1922 traten die Altpreussen aus dem Deutschen Grosslogenbund aus. In der Begründung kritisierten sie bei den Humanitären bestehende "pazifistische und kosmopolitische" Anschauungen und betonten demgegenüber ihren "rein nationalen" Standpunkt. Zugleich verwahrten sie sich gegen Kritik ihrer Haltung in der sog. „Judenfrage“.

1924 schließt die GNML 3 WK die Aufnahme von Juden ausdrücklich aus weil, wie August Horneffer 1933 rückblickend schreibt: „unsere Großloge ein ganz enger, vertrauter Kreis von unbedingt heimattreuen und gottestreuen Männern sein soll, daher wir volks- und artfremde Elemente nicht brauchen können“

Ein Zitat aus der Festarbeit von Rudolf Rossbach zum Johannisfest 1924 der gleichen GL:»Es geht eine gewaltige geistige Bewegung durch unser Volk, die auch die christliche deutsche Freimaurerei … nicht unberührt gelassen hat, eine Bewegung, die man kurz als die völkische zu bezeichnen pflegt. Auch die völkische Bewegung geht davon aus, dass der Abfall vom deutschen Geist unser Unglück verschuldet habe und daher nur die Rückkehr zu ihm uns wieder aus unserem Unglück befreien könne. Die völkische Bewegung ist nicht, wie viele glauben, in unseren Tagen künstlich entfacht worden, sondern sie ist sie natürliche Reaktion des deutschen Geistes gegen die Überfremdung unseres staatlichen und geistigen Lebens.«

Johannisgruss 1926 aus der Zirkelkorrespondenz der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (später umbenannt in Deutsch – christlicher Orden der Tempelherren)

“Die Gemeinsamkeit des Schöpfers beseitigt …. nicht die Unterschiede zwischen Rassen, Völkern und Individuen… Unterschiede, die in der Geschichte eine viel zu große und entscheidende Rolle gespielt haben, als dass sie unbeachtet bleiben könnten. Die Verkennung und Unterschätzung dieser Unterschiede, die verhängnisvolle, zwar aus reinsten Beweggründen, aber aus physiologischer und psychologischer Unwissenheit geborene Humanitätsschwärmerei hat zu einer Vermischung und Entartung aller Kulturen, Kunstrichtungen, Rassen und Völker, zu einer Sintflut geführt, die alles in früherer Reinkultur Veredelte und Hochwertige ersticken zu wollen droht. Diesen trüben, schlammigen Fluten sucht der Orden, der von jeher bemüht war, höchste Veredlung durch sorgsamste Auslese und Reinerhaltung seines Bestandes zu erreichen, einen Damm entgegen zu setzen.” 1935 fand dieser Text erneut Verwendung   als Apologie gegenüber den neuen Machthabern. Und zwar mit folgenden einleitenden Zeilen:

„Als drittes Ziel im Kampfe für deutsches Christentum und christliches Deutschsein trat die Aufforderung zur Reinhaltung der Rasse. Den Gefahren, die von einer unüberlegten Rassenmischung her die Wurzeln des Volkstums bedrohen, tritt der Johannisfestgruss von 1926 entgegen. Er erschien in einer Zeit, in der man sonst diesen Fragen nicht eben viel Bedeutung zumaß“)
Oder wir lesen In der Zeitung “Am Rauhen Stein“ (der GL Royal Yorck zur Freundschaft)   (Am rauhen Stein, Jg. 26, 1929, S. 171.) das schöne Wort von der von der „verniggerten Unkultur“ , der deutsche Sittlichkeit entgegen gehalten werden solle


Und im Johannisfestgruß 1930 der Großen Landesloge finden wir folgende Zeilen: »Wir .. weisen …. Humanitätsdusel in jeglicher Form und unter jeglichem Namen, wie Internationalismus, Pazifismus oder wie sonst immer, weit von uns, nicht etwa, weil es unerreichbare Ideale, sondern weil es überhaupt keine erstrebenswerten Ideale sind. Ihre tatsächliche Erreichung würde nicht zum Aufstieg der Menschheit führen, sondern zu ihrem Verderben ausschlagen, weil diese ›Ideale‹ naturwidrig und gegen jede menschliche und göttliche Ordnung sind.«45 Und weiter: Auch in der Freimaurerei: »… bekämpfen sich die Gegensätze der Volkscharaktere: ›germanisch‹ oder ›romanisch‹, der Zwecke: ›politikfrei oder politisch‹, der Grundsätze: ›vaterländisch oder vaterlandslos‹, der Mittel: ›Vertiefung des Innenlebens oder Betonung der Geselligkeit‹, und darum wäre eine internationale oder ›Weltfreimaurerei‹ ein Unding, ein Widerspruch in sich, eine den Gedanken und die Ziele der Freimaurerei aufhebende Missgeburt, nicht aber ein erstrebenswertes Ideal.«

Diese Zitatenreihe ließe sich endlos fortsetzen…. Wer mehr zu diesem Thema lesen möchte, dem empfehle ich als Einstieg das Buch von Hans Hermann Höhmann mit dem Titel „Identität und Gedächtnis“. Weitere Literatur gerne auf Nachfrage.

Hätte es nicht die Brüder des FzaS, Persönlichkeiten wie Karl von Ossietzky, Kurt Tucholski, und viele andere aus dem Kreis der humanitären Logen, nicht Leo Müffelmann und die Symbolische Grossloge gegeben – um die Ehrenrettung der deutschen Freimaurerei wäre es schlecht bestellt gewesen. Und wer etwas lernen möchte über freimaurerische Standfestigkeit und Prinzipientreue auch im Moment größter Gefahr, dem empfehle ich das bekannte Rundschreiben des letzten Großmeisters der FzaS Br. Max Seber aus dem Januar 1932. Ich zitiere den letzten Teil Es gilt die Güter, die wir von unseren Vätern ererbt, zu erwerben, um sie zu besitzen. Da werden wir erst ihres Wertes gewahr und merken erst, was wir besaßen, im Augenblick, da wir alles zu verlieren drohen. Freiheit und Humanität, meine Brr., sind heute in höchster Gefahr! Ich als Euer derzeitiger Großmeister, gebe vor Euch allen das große Notzeichen! Helft und arbeitet, stellt Euren Mann! Geht hinein in die Verbände zum Schütze der Verfassung, zum Schütze der Freiheit. Die eiserne Front aller Entschlossenen wartet auf Euch, meine Brr.! Noch ist es Zeit, noch ist Raum für entschlossene Kämpferscharen! Tut Eure Pflicht, gedenket Eures Eides, gebt mir das Meisterzeichen!"

Es war extrem mutig, angesichts der Niederlage von 1918 unbeirrbar einzutreten für internationalistisch – pazifistische Ziele, festzuhalten an der Weltbruderkette, sich einzusetzen für eine Aussöhnung mit Frankreich und die Idee eines Bundes der Völker. All das setzte die Brüder dem Verdacht des Vaterlandsverrates aus und machte sie zu einer isolierten und mit allen Mitteln bekämpften Minderheit innerhalb der national -altpreussisch dominierten deutschen Freimaurerei. Fast schon anekdotisch in diesem Zusammenhang ist die Kampagne gegen Leo Müffelmanns den späteren ersten Grossmeister der Symbolischen Grossloge von Deutschland, weil er im Jahr 1928 mit einem französischen Grossmeister den Friedenskuss getauscht hatte.

Die Gründung der Symbolischen Grossloge von Deutschland

Ende der 20er Jahre wurde immer klarer, dass der Versuch gescheitert war, mit dem FzaS einer liberal freiheitlichen, internationalistisch und pazifistisch ausgerichteten Freimaurerei eine Heimat zu geben. Regularität war nicht mehr erreichbar und schon gar nicht gegen den erbitterten Widerstand der altpreußischen Großlogen. Der Versuch, eine einheitliche humanitäre Grossloge zu bilden, blieb schon in den Anfängen stecken. Gleichzeitig wurde die Gefahr durch den erstarkenden Nationalsozialismus immer bewusster.

Es war Bruder Leo Müffelmann, dem es mit Hilfe des neu konstituierten Obersten Rat für Deutschland des AASR gelang, den Knoten zu durchschlagen. Mit 600 Brüdern aus dem FzaS setzte er 8 Logen ein, die sich dann zur Symbolischen Grossloge mit Sitz in Hamburg konstituierten. Die Brr meiner Loge gehörten zu jener Gruppe der 600 und wurden unter Matrikel Nr. 9 als Leuchte im Norden Teil der neuen – jetzt regulären - humanitären Grossloge. Mutterloge Zur Erkenntnis Or. Harburg

Unter welch schwierigen Umständen dies erreicht wurde Kann der Interessierte detailliert nachlesen in dem sehr schönen Artikel AASR in Deutschland – zu finden auf Freimaurer Wiki.

1932 hatte die neue GL bereits 1200 Brr und  26 Tochterlogen, unter anderem seit 1931 (Zur Quelle Siloah) auch in Jerusalem. Wenige Wochen nach Machtergreifung Hitlers wurde das Licht und die wichtigsten Unterlagen dorthin, in die Symbolische Großloge im Exil überführt. Das Licht in allen deutschen Tochterlogen wie auch in allen Bauhütten des FzaS erlosch im April des Jahres 1933.

Indessen dienten sich die altpreußischen Logen bis zu ihrem Verbot 1935 den Nationalsozialisten an  

Man benannte sich um, verleugnete gar, Freimaurer zu sein. Man passte sich an: Aus Johannisfesten wurden Sonnenwendfeiern, aus der Hiramslegende die Baldursage, das Hakenkreuz als Lichtsymbol fand Eingang, und überhaupt kam das Licht auf einmal   - nun, woher sonst – aus dem Norden.

Leo Müffelmann wurde  verhaftet. und starb  1934 an den im KZ erlittenen Verletzungen. Carl von Ossietzky erlitt das gleiche Schicksal.

1949 wurde das gerettete Licht aus Jerusalem zurück gebracht in die Vereinigte Grossloge von Deutschland, die spätere GL AFuAM. Diese ist übrigens zu unterscheiden von den Vereinigten Grosslogen v. D. Aber das ist eine eigene Geschichte ….

3 weitere Jahre Verhandlungen dauerte es,   bis es  1952 auch zur Regularisierung des FzaS kommen konnte.

Heute wird das rituelle Erbe des FzaS in der Loge Zur Wahrheit i.O Nürnberg bewahrt, deren Webseite für interessierte Brüder ein Eldorado von Informationen bietet


Nach dem Krieg konnte und wollte man sich an manche Dinge nicht mehr erinnern und schon gar nicht erinnert werden. Und so prägt der Begriff „Dunkle Zeit" die  Geschichtsschreibung vieler Logen für die Jahre 1933 - 45. Dieses - neudeutsch -„Wording“   Hat bis heute die Funktion eines Feuervorhanges im Theater. Auch wenn die Bühne brennt --- im Zuschauerraum bleibt es noch eine gewisse Zeit weiter relativ gemütlich. Und natürlich war und ist es bequem, sich die Frage nach der eigenen Vergangenheit und der eigenen Verantwortung NICHT zu stellen. Stattdessen konnte man - obschon Mit-Täter – irgendwie mit - verfolgt fühlen.

Und kommt es, dass bis heute ungeniert selbst Brüder der Reformfreimaurerei, wie z.B. Karl von Ossietzky oder Kurt Tucholsky, ausgerechnet von denjenigen Lehrarten vereinnahmt werden, die deren Ausschluss aus dem Bruderbund zu Lebzeiten mit aller Macht und allen Mitteln betrieben haben.


Bis heute ist die Aufarbeitung dieses Kapitels, wie Hans Herrmann Höhmann kritisch anmerkt, nicht ernsthaft bzw. nicht ohne primären Rechtfertigungsimpuls angegangen worden.

Wir dürfen gemeinsam gespannt sein, ob sich dies in den kommenden Jahrzehnten ändern wird.


Eine Freimaurerei, die es vermeidet oder versäumt Sich bewusst und systematisch mit ihrer Geschichte und den sie prägenden Traditionen zu beschäftigen Vergibt mit der Chance, sich selbst zu (er)kennen Zugleich auch die Möglichkeit Erkennbar zu sein nach außen.

Wie wir heute  als humanitäre FM erkennbar sein wollen, müssen wir - wie jede Generation vor und nach uns - selbst entscheiden. Unsere Vorväter jedenfalls Hatten den Mut,  es zu sein

Zum Glück haben wir heute keinen Anlass Einander das Meisterzeichen abzufordern – so wie Max Seber, letzter Grossmeister des FzaS es tun musste.

Aber sollten wir nicht Aus der historischen Erfahrung heraus den Mut haben, z.B. Bedrohungen unseres demokratischen Gemeinwesens unerschrocken beim Namen zu nennen? Jenes Gemeinwesens in dem sich in perfekter und zugleich imperfekter Weise ein Großteil unserer Ideale abbildet?

Der Feind steht rechts

Der Feind steht rechts – so lautete vor einiger Zeit eine kontrovers diskutierte These aus der Humanität.

-Ein Zitat übrigens aus der Reichtagsrede des Reichskanzlers Joseph Wirth anlässlich der Ermordung des B'nai B'rith - Bruders und Außenministers Walther Rathenau 1922.

Apropos: Wusstet Ihr Liebe Brüder, daß in Deutschland seit 1990 nach Zahlen der Bundesregierung 107, nach anderen Schätzungen sogar mehr als 200 Menschen durch rechtsextreme Gewalt ihr Leben verloren?

„Der Feind steht rechts“ Das auszusprechen war ein Wagnis. Denn es fühlten sich – obschon sie nicht adressiert waren- eine ganze Reihe konservativ fühlender Brüder persönlich angegriffen. In Wirklichkeit ging es aber nicht um die Diffamierung des Konservativismus, sondern darum, den  historisch und gegenwärtig engen ideologischen Zusammenhang zwischen antifreimaurerischen, antisemitischen  und republikfeindlichen Kräften zu beschreiben. Ich will diese Debatte heute nicht erneuern.

Aber ist nicht gerade mutiges Eintreten für demokratische Werte für Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen für Dialogfähigkeit und Friedensfähigkeit nicht nur der deutschen, sondern auch der Weltgesellschaft das wichtigste Vermächtnis des FzaS und der symbolischen GL?

Das Erbe des FzaS und der symbolischen Großloge aus seinem Zeitkontext zu erschließen für die heutigen Herausforderungen das ist unsere Aufgabe und Herausforderung als Freimaurer.

Lasst uns erkennbar sein !

Es gab eine Zeit, in der Freimaurerei mit kühnen Ideen und Visionen die Grundfesten der Gesellschaft für Jahrhunderte prägen konnte.

Diese Fähigkeit haben wir längst verloren. Nicht ohne Grund stagniert die deutsche Freimaurerei seit Jahren in einer Nischenexistenz. Und es stellt sich die Frage, warum eigentlich uns heute die Mittel fehlen, einen relevanten Beitrag in den gesellschaftlichen Dialog der Gegenwart einzubringen.

Die Themen liegen auf dem Tisch. Wenn heute der nach den Idealen der Aufklärung geführte gesellschaftliche Diskurs zum Erliegen zu kommen droht, Zugunsten einer flexiblen, den jeweiligen Interessen angepassten alternativen Deutung von Realität. Wenn wieder in Teilen unserer Welt die Anbetung des Staates,  der sie leitenden Personen, der Nation oder einer Rasse gefordert und salonfähig wird. Wenn die klassischen Formate gesellschaftlicher Kommunikation dabei sind, ihre Kraft zu verlieren Wenn Sprachlosigkeit und Spaltung drohen

Dann sollte humanitäre FM dazu eine Haltung haben.

Nicht politisch deklaratorisch Aber in einer unserer Zeit und unseren Zeitumständen angemessenen Wertekommunikation.

Freimaurerei auf reine Innerlichkeit zu verweisen, oder auf die Organisation von Kammerkonzerten verneint unser  geschichtliches Erbe Und entzieht sich damit jeder echten ethischen Herausforderung

Und vielleicht sollten wir uns gelegentlich fragen, welche rückwärtsgewandten gesellschaftlich-politischen Interessen hinter einem solchen Ansinnen stehen. In diesen Turm sollten wir uns weder sperren lassen Noch selbst einsperren!

Wir alle stehen -machen wir uns nichts vor- Auf unserer eigenen Baustelle Und vermutlich erst am Anfang eines längeren gemeinsamen Lernprozesses.

Und vielleicht schaffen wir es am Ende Die Fähigkeit neu zu gewinnen Anreger  und Moderator bürgerschaftlichen  Wachstums zu sein.

Eine Freimaurerei mit dem Rücken zur Gesellschaft hat jedenfalls meines Erachtens keine Zukunft.

Wünschen wir uns Glück Wir werden es brauchen