Pierer: Freimaurerei Definition

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Das vermeintliche Wissen um die Freimaurerei wird in unterschiedlichen Quellen und Lexika eben auch unterschiedlich definiert. Diese Quellen sind in Bibliotheken frei zugängig. Oft ist es interessant, inwieweit Definitionen voneinander abweichen oder unterschiedliche Interpretationen anbieten. Die nachstehende ist anderthalb Jahrhunderte alt.

Pierer

  1. Pierer: Freimaurerei Definition
  2. Pierer: Entstehung der Freimaurerei. Periode I
  3. Pierer: Entstehung der Freimaurerei. Periode II
  4. Pierer: Entstehung der Freimaurerei. Periode III
  5. Pierer: Entstehung der Freimaurerei. Periode IV
  6. Pierer: Entstehung der Freimaurerei. Gegenwart

Freimaurerei

Quelle: Eugen Pierer, Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858

Freimaurerei, eine unter eigenen Formen bestehende Gesellschaft, die zunächst in England als ein bereits gebildeter Verein öffentlich bekannt wurde u. von da aus sich in Kurzem durch einen großen Theil der Welt verbreitete.

Die Freimaurergesellschaft oder Freimaurerbrüderschaft

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858

I.

Die Freimaurergesellschaft od. Freimaurerbrüderschaft, welche erst (mit Unrecht) nach ihrer Überpflanzung auf den Continent den Namen eines Freimaurerordens erhielt, besteht als ein (mit Ausschließung der Frauen für die eigentliche F.) von Männern aus allen Ständen, die eine selbständige Stellung im Leben u. sittlich guten Ruf haben, gebildeter Verein, dessen, unter vorgeschriebenen Formen zu demselben getretene Mitglieder sich Freimaurer (fr. Francmaçons, Maçons. engl. Free-masons) nennen.

In ihren, nach bestimmten Regeln geordneten Zusammenkünften betrachten sie allen Unterschied des Ranges, der Glicksgüter u. der Confession für aufgehoben. Die oft angeregte Frage, ob Juden zu Freimaurern aufgenommen werden können, wird sehr verschieden beurtheilt, u. ist als eine noch nicht abgeschlossene zu betrachten. Die wahre F. ist von allem Wirken nach Außen, das auf Staatsverhältnisse u. Religionsverfassung Bezug haben könnte, fern, so daß in ihren echten Versammlungen alle Discussionen über politische u. kirchliche Gegenstände grundgesetzlich ausgeschlossen sind, wogegen Achtung der bestehenden Staatseinrichtung u. Unterwerfung unter die gesetzliche Ordnung u. Befehle des Regierenden, selbst wenn von diesem Schließung der Versammlungen geboten würde, so wie die Bewahrung eines streng religiösen Sinnes an der Spitze aller freimaurerischen Verpflichtungen steht. Nach dieser wesentlichen Grundlage hat die F. den Zweck: ihren Bundesmitgliedern die Möglichkeit zu gewähren, mit Gleichgestimmten Reinmenschliches zu erstreben, sich fern von allem Positiven für ein freies Vernunftreich zu bilden u. in Gemeinschaft mit einander das Urbild der Menschheit darzustellen. So innerhalb des Bundes für alles Gute angeregt, sollen die Freimaurer außerhalb desselben an altem Edlen regen Antheil nehmen, wie denn von denselben häufig wohlthätige u. edle Lebenszwecke beabsichtigende Anstalten begründet, unterstützt u. gefördert werden. Über den Mißbrauch der F. zu falschen Zwechen u. über das deshalb mehrfach ergangene Verbot der Theilnahme an der F., s. unten II.

Logen

Die in einer Stadt u. der Umgegend wohnenden Freimaurer vereinen sich, wenn sie sich stark genug fühlen, zu Einem Complex, Loge; in größeren Städten befinden sich auch wohl zwei od. mehr. Logen, die neben einander bestehen. Die gewöhnlichen Logen sind Johannislogen, welche auch Logen von den blauen Graden (Johannisgraden, niederen Graden) genannt werden. Jede Loge muß, um gesetzmäßig (gerecht u. vollkommen) zu werden, von einer anderen, schon älteren gestiftet (constituirt) sein u. erhält von dieser ihre schriftliche Constitution (Constitutionspatent), auch ein eigenes Gesetzbuch (Constitutionsbuch). Bei großen Logenvereinen in Einem Lande steht das Recht zu constituiren nur der od. den leitenden Mutterlogen zu. Nicht gehörig constituirte Logen heißen Winkellogen u. werden von den übrigen nicht anerkannt.

Feldlogen

Dagegen kann jede Johannisloge (Hauptloge) in der Regel eine Deputationsloge einrichten, um zu einem bestimmten Zweck neben ihr zu arbeiten. Werden solche Deputationslogen während des Krieges bei im Felde stehenden Truppen errichtet, so heißen sie Feldlogen. Jede Loge führt einen symbolischen Namen, welchem der Name des Orts, wo sie ihren Sitz hat, beigesetzt wird, z.B. Minerva zu den 3 Palmen im Orient zu Leipzig, Memphis im Orient zu Memel etc. Die Versammlungen, welche auch Logen heißen, werden wo möglich in eigenen, der Loge gehörigen Logengebäuden (Logenhäusern) od. gemietheten Logenlocalen gehalten.

Johannislogen

Die St. Johannislogen zerfallen in mehrere Grade: 1. Grad: Lehrlinge, wenn sie eben erst aufgenommen; 2. Grad: Gesellen, wenn sie einige Zeit (meist nicht unter 1/2 bis 1 Jahr) in der Loge gewesen sind; 3. Grad: Meister, welche noch länger thätig gewesen sind. Bald nach dem Entstehen der F. bewirkten mehrere ihr beigemengte fremde Zwecke, die Errichtung höherer, bis 7 u. noch mehr Grade, s. unt. II.


Abschied vom Geistersehen, Goldmachen

In neuerer Zeit, wo die sonst dahinter gesuchten verborgenen Zwecke, Geistersehen, Goldmachen u. dgl., von Niemand mehr erwartet werden, sind die höheren Grade mehr Ausschüsse der verständigern, durch die Zeit bewährteren Logenmitglieder geworden, durch die man unter Bildern u. Symbolen Unterricht über die Geschichte der F. erhält; manche besondere Systeme der Freimaurer (Bündnisse mehrerer Logen, die unter einer Loge nach gleichem Ritual u. gleichen Grundsätzen arbeiten) nennen sie daher auch Erkenntnißstufen, s. unt. II. B). Mehr noch dienen sie, um Ausschüsse (innere Oriente) für die Großlogen zubegründen, die unter besonderer Aufsicht des Staates stehen u. in den meisten größeren Ländern die anderen Logen unter sich haben. Als Errichterinnen anderer Logen sind solche Großlogen in Beziehung zu diesen Mutterlogen u. diese in Beziehung zu ihnen Töchterlogen. Letztere tragen aber auch diesen Namen, wenn sie, obgleich von anderen gestiftet, den Großlogen nur untergeordnet sind. Ist dies Subordinationsverhältniß weniger vorhanden u. stehen die Logen mehr neben als unter einander, so nennt man dies Logenbund. Auch Provinziallogen errichtete man, bes. von England, doch auch von anderen Großlogen aus, welche die Logen einer Provinz unter sich haben, aber selbst unter einer Großloge stehen.

Beamte

Aus den Meistern werden die verschiedenen Beamten gewählt. Der Vorstand der Loge ist der Meister vom Stuhl (Logenmeister), welcher die Logenangelegenheiten leitet u. die Loge in der Regel eröffnet u. schließen läßt. Ihm zur Seite steht, wenigstens in größeren Logen, der deputirte (zugeordnete) Meister, der ihn bei Abwesenheit u. Krankheit vertritt, ihm, wenn der Geschäfte zu viel werden, einen Theil derselben abnimmt, u. wenn sich die Zahl der zu haltenden Logen zu sehr häuft, einen Theil von diesen hält. Meister vom Stuhl, welche diese Würde mehrere Jahre lang bekleideten, erhalten oft nach ihrem Zurücktritt die Würde als Alt- od. Ehrenmeister u. stehen als solche dem Meister vom Stuhl berathend bei. Der Meister vom Stuhl, wie die beiden folgenden Vorsteher (nach altenglischen Ritualen Aufseher) werden gewöhnlich durch Stimmenmehrheit der Mitglieder gewählt. Diese Vorsteher haben die Aufsicht in den Logen, assistiren dem Meister bei Eröffnung u. Schließung der Loge u. stehen ihm berathend zur Seite. Die übrigen Beamten werden gewöhnlich von dem Meister vom Stuhl aus den Meistern ernannt. Diese Beamten sind der Ceremonienmeister, welcher auf die richtige Befolgung des Rituals u. der Gebräuche achtet; der Secretär, welcher die Protokolle u. sonstigen Logenschriften, auch wenn ihm nicht ein correspondirender Secretär zugegeben ist, die Correspondenz besorgt; der Archivar, welcher das Logenarchiv, u. der Bibliothekar, welcher die Logenbibliothek unter sich hat; der Schatzmeister, welcher die Kasse u. Finanzen der Loge verwaltet; der Aumonier (Armenpfleger), welcher das Almosen u. die Armenpflege unter sich hat; der Redner, welcher die Gelegenheitsreden in den Logen hält; die 2 Stewards sind Gehülfen der 2 Vorsteher etc. Der Meister vom Stuhl, die Vorsteher u. die Beamten bilden das Beamtencollegium, welches wichtige Logensachen vor der eigentlichen Loge berathet. In einigen Logen gibt es auch noch ein bes. Directorium, welches aus dem Meister vom Stuhl, dem deputirten Meister, Altmeister u. den Vorstehern besteht.


In Ländern, wo der Regent od. ein Prinz od. sonstiger Verwandter der Fürstenfamilie Freimaurer ist, übernimmt derselbe meist das Protectorat seiner Logen. Die Großlogen haben Großmeister, Großbeamte etc., u. die Töchterlogen Repräsentanten bei den Großlogen, die ihre Interessen bei derselben vertreten.


Die Mitglieder der Logen sind entweder eigentliche, welche Stimmrecht haben, u. dienende, welche kein Stimmrecht haben. Zuweilen werden Mitglieder anderer Logen zu Ehrenmitgliedern ernannt. Vorbedingungen zur Aufnahme eines Mitgliedes sind Volljährigkeit u. sittliche Unbescholtenheit. Wenn die Loge sich über das Vorhandenseyn dieser Bedingungen vergewissert u. der Petent die gewöhnlichen schriftlichen Fragen über seine Bildung, über seine Meinung von dem Bund u. einige andere Dinge befriedigend beantwortet hat, wird über ihn abgestimmt u. seine Aufnahme unter entsprechenden Ceremonien in einer Receptionsloge vorgenommen. Der Neuaufgenommene erhält gewöhnlich nach geschehener Aufnahme vom Meister vom Stuhl einen Schein (Certificat), daß er wirklich Maurer sei. Der Übergang aus dem ersten, dem Lehrlings-, in den zweiten, den Gesellen-, u. dritten, den Meistergrad, findet in den Beförderungslogen u. nach besonderen Ritualen Statt. Durch das bei der Aufnahme überkommene Certificat empfängt jeder Freimaurer das Recht, fremde Logen zu besuchen (Besuchender Bruder).

In mancher Loge ist dieser Besuch dem länger am Orte Lebenden untersagt, u. derselbe erhält nur dann die Erlaubniß dazu, wenn er sich affiliiren läßt. Außer der Aufnahme kann ein Freimaurer, der schon in einer anderen Loge aufgenommen ist, durch Affiliiation in eine Loge übertreten. Ist die Loge, bei welcher derselbe früher Aufnahme fand, nicht von der, ihn nun in ihren Schooß aufnehmenden anerkannt, so heißt die Affiliation Rectification.

Verschwiegenheit

Der Freimaurer gelobt bei seiner Aufnahme Verschwiegenheit gegen Nichtfreimaurer (Profane) über alles, was in den Logen über F. mitgetheilt wird, u. was er über die innern Verhältnisse des Bundes erfährt, er übernimmt durch seine Aufnahme Pflichten, die theils die Bildung u. Veredelung des Geistes u. Herzens der F. bezwecken, theils die Beschaffung der Mittel zur Erhaltung der Loge betreffen. Wenn ein Freimaurer wiederum aus der Loge treten will, so deckt er die Loge, d.h. erklärt seinen Abgang. Die Deckung kann für einige Zeit, od. für immer sein. Er erhält meist die einfache Entlassung. Oft gibt ihm die Loge dann auch, wenn er für sie mit besonderem Eifer gewirkt hat, ehrenvolle Entlassung, od. ertheilt sogar die Ehrenmitgliedschaft. Mitglieder, die sich als Maurer unwürdig benehmen, od. ihre Pflichten nicht erfüllen, werden mit Exclusion belegt, od. wenn Entschuldigungsgründe vorliegen, nur von der Liste gestrichen. Mitglieder, die freiwillig decken, haben keinen Anspruch, an den Logen mehr Theil nehmen zu dürfen, wohl aber diejenigen, welche ehrenvoll entlassen sind.

Sinnbilder

Viele Grundsätze u. Lehren der F. werden durch Sinnbilder zu erkennen gegeben, welche der Werkmaurerei entnommen sind, u. daher andeuten, daß die F. sich mit einem geistigen Bau beschäftige. Die versammelte Loge wird als Licht ausstrahlend betrachtet u. deshalb u. weil angenommen wird, daß der Meister vom Stuhl in Osten seinen Platz habe, auch Orient genannt. In den Logen wird nach einem gewissen Ritual gearbeitet (d.i. Loge gehalten). Die Arbeit beginnt mit feierlicher Eröffnung der Loge. Die im Interesse der Loge liegenden Gegenstände werden dann discutirt u. nach Beendigung der Discussion die schwebende Frage entweder durch Acclamation, bei minder wichtigen Fragen, od. durch Ballotage entschieden.

Logenarten

Die Logen sind

a) Arbeitslogen, in denen über innere Verhältnisse der Logen verhandelt, Correspondenzen mit auswärtigen Logen u. sonstige interessante Sachen, so wie freie Vorträge mitgetheilt werden. Sie heißen
aa) Instructionslogen, wenn der Hauptgegenstand Unterricht über den Zweck, die Ceremonien u. Gesetze der Maurerei ist;
bb) Monatslogen, wenn sie monatlich wiederkehren;
cc) Receptions- u. Beförderungslogen, wenn ein neues Mitglied aufgenommen od. aus einem niedern Grad in einem höhern befördert wird. Besondere Verhandlungen werden in den Gesellen- u. Meisterlogen geführt.
b) Festlogen, die zu festlichen Gelegenheiten Statt finden, u. zwar aa) ordentliche, welche zu bestimmten Tagen gehalten werden, wie bes. das Johannisfest, am 24. Juni zum Gedächtniß des St. Johannes, ferner das Stiftungsfest, entweder der Loge selbst, od. deren Mutterloge etc.; bb) außerordentliche, für besondere Gelegenheiten. Immer sind die Festlogen von einer Rede (Festrede) u. von Gesang u. Musik begleitet.
c) Trauerlogen, meist zum Gedächtniß eines od. mehrerer verstorbener Mitglieder.
d) Tafellogen werden nach beendeter Arbeit, bes. nach Festlogen u. Aufnahmen, gehalten, wobei ein vorgeschriebenes Ritual beobachtet, die Loge ähnlich einer anderen Loge eröffnet u. geschlossen wird. Gewisse Toaste, Musik u. Gesang besonderer Freimaurerlieder würzen das Mahl solcher Tafellogen. Geschieht das Zusammenspeisen ohne weiteres Ritual, zuweilen selbst ohne vorausgegangene Loge, so heißt es ein Brudermahl. Wie sich die Tafelloge zum Brudermahl verhält, so zur eigentlichen Loge die Logenclubs. Es sind dies, meist wöchentliche, Versammlungen, an denen nur Maurer Theil nehmen, jedoch ohne maurerische Formen; es werden maurerische Gegenstände besprochen, freie Vorträge gehalten u. auf F. näheren od. ferneren Bezug habende Schriften vorgelesen. Unter Schwestern versteht die F. nicht nur leibliche Schwestern der Mitglieder der Logen, sondern auch Gattinnen u. Bräute; manche Logen vereinen sie bei feierlichen, außerordentlichen maurerischen Begebenheiten, Jubiläen, Einweihungen neuer Locale u. dgl. zu
e) Schwesterlogen. Das Ritual ist verschieden u. ziemlich willkürlich. Die maurerischen Formen werden nicht beobachtet, statt ihrer treten aber andere analoge ein. Reden, Gesänge, Musik, machen die Unterhaltung aus. Fast stets folgen den Schwesterlogen, Tafellogen. Auch Trauerschwesterlogen hat man. Die französische Maurerei hatte auch
f) Adoptions- u. Esperancierslogen (s.d.), an welchen Frauen u. Männer zugleich Theil nehmen. Lufton nennt man den Sohn eines Freimaurers; er genießt meist bei der Aufnahme einige Vortheile;
g) Luftonslogen sind daher maurerische Versammlungen, in denen die heraufwachsenden Söhne der Freimaurer Theil nehmen; die Einrichtungen sind willkürlich; meist sind die Luftonlogen mit Schwesterlogen verbunden, aber noch seltener als diese.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 679-695.

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