Die Wiener Albertina: das Werk eines Freimaurers

Aus Freimaurer-Wiki

Albertina-Nacht.jpg

Die Wiener Albertina: das Werk eines Freimaurers

Albert Kasimir August Herzog von Sachsen-Teschen: So hieß der Freimaurerbruder, dem Wien das weltweit bekannte Kunstmuseum Albertina zu verdanken hat. Durch die Namensgebung haben die Wiener den Stifter bis heute nicht ganz vergessen. Dass er ein Freimaurer war, ist jedoch kaum bekannt. Im Frühjahr 2014 erinnerte die Ausstellung ‚Dürer Michelangelo Rubens – Die 100 Meisterwerke der Albertina’ daran. Die Schau war eine Hommage an den Gründer der Sammlung und seine Zeit. Sie ging auch ausführlich auf den Herzog als Freimaurer ein. Von Rudi Rabe

Der Freimaurerteil der Ausstellung wurde von Rüdiger Wolf mitgestaltet: dem ehemaligen Direktor des österreichischen Freimaurermuseums Rosenau. Im Katalog beschäftigte er sich mit Herzog Alberts maurerischem Netzwerk. Teile des Wiki-Artikels basieren auf seinem Text.

Herzog Albert (oft auch: Albrecht) von Sachsen-Teschen mit dem Plan der Schlacht von Maxen, 1777 (39 Jahre). Maler: unbekannt. Albertina, Wien (Dauerleihgabe des Kunsthistorischen Museums)
Erzherzogin Marie Christine von Habsburg-Lothringen, 1778 (36 Jahre).
Maler: Alexandre Roslin; Albertina, Wien (Dauerleihgabe der Nationalbank)
Die Albertina 1816: sechs Jahre vor dem Tod Herzog Alberts. Er hatte das Palais am südöstlichen Ende der kaiserlichen Hofburg umgebaut. Das widerfuhr dem Gebäude noch oft: zuletzt um 2000. Hier wohnte Albert, hier brachte er seine Kunstsammlung unter, hier ist diese bis heute. Maler: Jakob von Alt; Albertina, Wien

Wie kam der Sachsenspross nach Wien?

Ganz einfach: durch die Liebe. Was heute ganz normal klingt, war damals im Hochadel nicht selbstverständlich. In diesem Fall wurde es durchgesetzt von Marie Christine, Erzherzogin und Tochter von Maria Theresia, der Regentin über das Habsburgerreich und Gemahlin Franz Stephans von Lothringen (als Römisch-Deutscher Kaiser Franz I.).

Herzog Albert lebte von 1738 bis 1822. Er war das dreizehnte Kind von Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen und König von Polen, und damit ein Enkel von August dem Starken.

Marie Christine war das fünfte Kind Maria Theresias. Von deren 16 (in Worten: sechzehn) Kindern erreichten zehn das Erwachsenenalter. Marie Christine war die einzige, die sich ihren Ehepartner selbst aussuchen konnte: Sie war die Lieblingstochter der Kaiserin, und auch diese mochte den Albert, also hat sie die Verbindung von Anfang an gefördert. Die anderen Kinder wurden vom Herrscherpaar dynastisch verheiratet; oder sie blieben ledig, was meistens den Eintritt in den geistlichen Stand nach sich zog.

Ausnahmsweise eine Liebesheirat

Die Eheschließung Marie Christines mit Albert war also eine Liebesheirat ('Mimi' und 'Berti'). Sie heirateten im Jahr 1766. Abgesehen von einem Baby, das ein Jahr nach der Hochzeit nur einen Tag alt wurde, blieben sie ohne leibliche Nachkommen.

Albert und Marie Christine waren beide in der Erbfolge ihrer Familien weit hinten, also versorgte die Brautmutter ihre Lieblingstochter anders: mit einer hohen finanziellen Mitgift von 4 Millionen Gulden (das wären heute gut 50 Millionen Euro). Und der Schwiegersohn bekam die Regentschaft über das kleine habsburgische Ländchen Teschen (zwischen dem heutigen Polen und Tschechien) und wurde so ein Herzog von Sachsen-Teschen; wegen der Heirat brauchte er ja einen Titel mit Land, und sei dieses auch noch so klein. Durch den plötzlichen Tod des Schwiegervaters Franz Stephan im Jahr vor der Hochzeit war es frei geworden.

Darüber hinaus beauftragte die Herrscherin das Paar mit der wichtigen Statthalterei von Ungarn in Pressburg (heute Bratislava in der Slowakei; die Stadt war damals die Hauptstadt von Ungarn). Dort blieben Marie Christine und Albert bis 1780. Danach übernahmen sie die Statthalterei der Österreichischen Niederlande in Brüssel (etwa das heutige Benelux). Von französischen Revolutionsheeren bedroht kehrten sie 1792 zurück nach Wien. Marie Christine starb 1798. Albert überlebte sie 24 Jahre.

Schon in Pressburg hatten die beiden begonnen, eine hochwertige Kunstsammlung aufzubauen: zuerst Druckgrafiken, später auch Zeichnungen. Daraus wurde im Laufe der Jahrzehnte eine der bis heute bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt mit 65.000 Zeichnungen und über einer Million druckgrafischen Blättern.

Herzog Albert als Freimaurer

Aufgenommen wurde er 1764 im Alter von 26 Jahren in der sächsischen Hauptstadt Dresden in die Loge Zu den drei Goldenen Schwertern (Mitgliedsnummer 254). 1738 gegründet war und ist diese Loge die älteste von Dresden und nach der Loge d’Hambourg (später Absalom zu den drei Nesseln) die zweitälteste Deutschlands. Sie stand damals unter dem Einfluss der ‚Strikten Observanz', einem streng hierarchisch geführten Freimaurersystem. Dieses widersprach dem egalitären englischen Modell, und so wurde es 1782 nach dem Tod des Gründers Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau beim Wilhelmsbader Konvent entsorgt.

Herzog Albert war von Beginn seiner Mitgliedschaft an eine wichtige Freimaurer-Persönlichkeit. Er beeinflusste die masonische Entwicklung nicht nur in Dresden, sondern auch in Prag, Pressburg und Wien. Eine Prager Loge benannte sich nach seinem zweiten Vornamen ‚Casimir zu den drei gekrönten Sternen und drei gekrönten Säulen’ und ein Wiener schottisches Kapitel ‚Albert zum Goldenen Helm’.

Das Geld der Gemahlin ...
... und das Netzwerk der Logenbrüder

Albert hatte ursprünglich kein eigenes Einkommen: als ‚pauvre cadet’ bezeichnete er sich selbst. Das änderte sich durch den Teschener Herzogtitel, mit dem mehrere Güter verbunden waren, und dann durch die der Heirat folgenden Beauftragungen und Beförderungen. Vor allem aber unterstützte ihn jetzt seine Frau aus ihrem Vermögen: Kunst sammeln kostete auch damals Geld.

Darüber hinaus half ihm sein freimaurerisches und mit diesem oft identes militärisches Netzwerk mit Rat und Tat beim Zusammentragen der Grafiken. Der Herzog revanchierte sich, wenn Logen bei der damals eher antifreimaurerischen habsburgischen Obrigkeit in Schwierigkeiten gerieten; durch seine hohe Stellung war ihm das möglich. Auch dabei unterstützte ihn Marie Christine: Im Gegensatz zur sehr katholischen Maria Theresia war sie gegenüber der Freimaurerei ebenso offen wie mehrere ihrer erzherzoglichen Schwestern. Auch ihr Vater war bevor er in das Haus Habsburg einheiratete Freimaurer geworden. In Wien hinterließ er jedoch keine masonischen Spuren. Man nimmt an, dass er seine Gemahlin bremste, wenn diese wieder einmal eine Loge 'ausheben' und deren Mitglieder bestrafen wollte. Unter Joseph II. besserte sich alles: Er behandelte die Freimaurer fair.

Rüdiger Wolf nennt in seinem oben erwähnten Katalogtext eine Reihe von Persönlichkeiten, die zu Alberts masonischem Netzwerk gehörten: Etwa seine Adjutanten Alexander von Miltitz und Alexander von Seckendorff; außerdem seine Kunstfreunde Giacomo Conte Durazzo (Botschafter in Venedig), Jacob Matthias Schmutzer (Direktor der Kupferstichakademie), Adam von Bartsch (Kupferstecher und Kustos der Grafiksammlung in der Wiener Hofbibliothek) und last but not least den großen Lessing.

Bruder Lessing besucht Bruder Albert

Gotthold Ephraim Lessing wurde 1771 in Hamburg aufgenommen. Sein ‚Nathan der Weise’ und sein Freimaurergespräch ‚Ernst und Falk’ gehören zu den wichtigsten Werken deutschsprachiger Freimaurerliteratur.

Rüdiger Wolf zu Lessings Begegnungen mit Herzog Albert: „Anlässlich einer Reise Lessings nach Wien zu seiner Verlobten Eva König im Frühsommer des Jahres 1775 trafen einander die Freimaurer Herzog Albert und Lessing in Wien und Pressburg. Im Juni gewährte Joseph II. Lessing eine Audienz. Von Wien reiste Lessing nach Italien, und auf der Rückreise nach Wolfenbüttel machte er nochmals Halt in Wien und traf Herzog Albert vor dessen Abreise nach Italien am 28. Dezember 1775.“

Auch als Witwer sammelt er weiter und weiter: Danke Bruder Albert!

Sechs Jahre nach der Rückkehr des Paares aus Brüssel nach Wien starb Marie Christine mit 56. Die Ehe war bis zum Ende glücklich.

Die beiden hatten sich in einem Ausläufer der Wiener Hofburg einquartiert und diesen zum Mittelpunkt ihrer Sammlung ausgebaut. Albert lebte noch fast ein Vierteljahrhundert. In seinen Jahren als Witwer konzentrierte er sich voll auf die Sammlung. Er wohnte weiter in dem Trakt, den er mit seiner Marie Christine modernisiert hatte. Heute ist das die Albertina.

Maria Theresia im Juli 1776 im Kreise einiger ihrer Kinder: rechts Kaiser Joseph II.; von links: Marie Christine und Albert; sie zeigen der Mutter neue Bilder von ihrer Italienreise; ein halbes Jahr waren sie dort in Sachen Kunst unterwegs. Maria Theresia war hier schon elf Jahre ‚Witib’ (Witwe). Nach dem Tode ihres Gemahls Franz Stephan von Lothringen (= Kaiser Franz I.) trug sie bis zu ihrem Tod 1780 nur noch schwarze Kleider. Maler: Friedrich Heinrich Füger; Belvedere, Wien


Der über das frühe Ableben seiner Gattin tief betrübte Albert ließ für Marie Christine vom klassizistischen Bildhauer Antonio Canova in der Wiener Augustinerkirche ein Grabdenkmal errichten. Über dessen Eingang steht: «Uxori optimae Albertus» (Meiner besten Gattin - Albert). In den Verzierungen dieses Kenotaphs (= leeres Grabmal; die Erzherzogin ruht in der Wiener Kapuzinergruft neben anderen Habsburgern sowie ihrem Albert - eine große Ausnahme, weil er kein Habsburger war) ist kein einziges christliches Symbol zu erkennen, stattdessen mehrere von Freimaurern verwendete Motive: vor allem das große Dreieck - oder oben rund um das Medaillon Marie Christinas der Ouroboros (die sich selbst verzehrende Schlange; kommt auf vielen alten freimaurerischen Bildern vor) - oder die Stufen hinauf zum Tor des Tempels der Humanität (ein Motiv auf freimaurerischen Arbeitsteppichen.)


10. Februar 2022: Zum 200. Todestag eine Hommage an Bruder Albert

Auf den Tag genau zweihundert Jahre nach dem Tod des Gründers veranstaltete die Albertina für ihn einen Gedenkabend, an dem sein Leben gewürdigt wurde. In der Veranstaltung vor einem größeren Publikum zeichneten vier Vortragende das Wirken des Herzogs nach: Albert der Militär, der Ehemann, der Kunstsammler und Albert der Freimaurer - als Militär übrigens ohne, doch als Kunstsammler mit viel Fortune. Dabei halfen ihm die Unterstützung und die finanzielle Mitgift seiner Frau Marie Christine, sein aufgeklärter Kunstsinn und nicht zuletzt auch sein freimaurerisches Netzwerk.

Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder bei seinem Vortrag.

Im ersten dieser vier Vorträge gab Klaus Albrecht Schröder, der Direktor der Albertina, einen Gesamtüberblick, in dem er mit den folgenden Worten auch auf Albert den Freimaurer einging:

„Erzherzogin Marie Christine und Herzog Albert waren sich ihrer Herkunft durchaus bewusst und fühlten sich ihrem Stand in Fragen der Hofhaltung und des Zeremoniells stets verpflichtet. Umso schwerer wiegen die ideale der Freimaurer, die von den Widmungszeilen des Gründungsdokument der Sammlung Alberts bis zum Kenotaph seiner Gemahlin reichen, das ohne jede christliche Symbolik von Antonio Canova in der Augustinerkirche aufgestellt wurde und lapidar der ewigen Gattenliebe, bar fürstlicher Ränge und Titel, gewidmet ist: «Uxori optimae Albertus». 1776 weist Durazzo in seiner Vorrede zum Discorso preliminare darauf hin, dass sich die Albert’sche Sammlung einem Fürsten verdankt, der seine Erhabenheit weniger seinem königlichen Blut als seinen «liebenswerten Herzenszügen und erlesensten Begabungen des Geistes» schuldet. Die Aussage in der Zauberflöte, dass Tamino nicht nur ein Prinz sei, sondern «mehr noch: ein Mensch», wird hier ebenso vorweggenommen wie das klassische Ideal einer Gesellschaft gleichberechtigter Menschen, wie sie Schiller 1785 in seiner Ode «An die Freude» für die Dresdner Freimaurerloge Herzog Alberts «Zu den drei Schwertern» verfasste. Herzog Albert erwirbt Schillers Werke, darunter auch die für das aufklärerische Verständnis der Sammlung bezeichnende Schrift «Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet», und er betreibt unmittelbar nach Schillers Tod den Entwurf eines monumentalen Denkmals für den Dichter der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.“

Details über das freimaurerische Netzwerk Herzog Alberts skizzierte dann der Freimaurer Rüdiger Wolf. Viele wichtige Persönlichkeiten jener Zeit gehörten diesem Netzwerk ebenso an wie die unmittelbare Umgebung des Herzogs: von seinem Adjutanten bis zum Kammerdiener Marie Christines, die den Freimaurern sehr zugetan war - weitere Details siehe oben.

Rüdiger Wolfs Ausführungen endeten mit dem Satz: „Die Albertina ist auch ein Werk der Freimaurer. Ich neige mein Haupt vor dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit.“

Die knapp eineinhalbstündige Veranstaltung kann hier nachgesehen werden: Siehe Links

Siehe auch

Forschungsarbeiten von Rüdiger Wolf:

Links


ÖFlag.jpg