Traktat: Reise in den Widerspruch

Aus Freimaurer-Wiki

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H.S. Kirchner

Das Thema und der Inhalt meiner heutigen Zeichnung ist wohl nicht einfach so entstanden, es ist gewachsen, herangewachsen im Laufe der Zeit, bestärkt durch meine Reisen als Geselle, für mich persönlich wichtig geworden aufgrund von Fragen und Diskussionen mit Profanen, Brüdern und Schwestern.

Das Thema meiner heutigen Zeichnung lautet
„Reise in den Widerspruch“

Ich beginne mit Morgenstern „Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Machen wir uns von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.“ (Christian Morgenstern) Die Freimaurerei, auch Königliche Kunst genannt, versteht sich als ein ethischer Bund freier Menschen mit der Überzeugung, dass die ständige Arbeit an sich selbst zu einem menschlicheren Verhalten führt. Die fünf Grundideale der Freimaurerei sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Sie sollen durch die praktische Einübung im Alltag gelebt werden. Nach ihrem Selbstverständnis vereint die Freimaurerei Menschen aller sozialen Schichten, Bildungsgrade und Glaubensvorstellungen. Diese Kurzdefinition zur Freimaurerei schließt demnach niemanden aus, ermöglicht gar dass sich so mancher Mensch angesprochen fühlt und ein aufrichtiges Interesse an der Freimaurerei entwickelt. Er klopft an, besucht Gästeveranstaltungen und erhält Einblicke in die individuelle freimaurerische Arbeitsweise der Loge und lernt deren Lehrart kennen. Und immer wieder die Themen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität verbunden mit einer wunderbaren Ahnentafel von bekannten Freimaurern. Man schmückt sich gern mit Goethe, Mozart, Knigge, Lessing, um nur einige zu erwähnen, denn sie lassen sich, zweifellos, so schön mit dem Guten in der freimaurerischen Geschichte in Verbindung zu bringen.

Zur Geschichte der Freimaurerei gehören aber auch vorangegangene Brüder wie Harry S. Truman, welcher mit einer persönlichen Entscheidung, entgegen einer Notwendigkeit aus damaliger als auch aus heutiger Sicht, knapp 250.000 Menschenleben auslöschte. Er gab den Befehl zum Abwurf der ersten Atombomben. In der Ahnentafel des deutschen Freimaurertums wird auch Br. Hjalmar Schacht kurz erwähnt. Man sollte schon wissen, dass dieser Bruder, maßgeblich am Finanzprojekt zur Auslöschung der Jüdischen Rasse beteiligt war und auch nach dem Krieg mit seiner nationalistischen Gesinnung nicht hinterm Berg hielt. Ich hoffe inbrünstig, dass seine Wiederaufnahme 1949 in die Hamburger Loge „Zur Brudertreue an der Elbe“ nur ein Märchen ist.

Vergangenheitsbewältigung und Offenheit zur eigenen Geschichte tragen maßgeblich zum Verständnis und zur Glaubwürdigkeit bei. Wie tolerant sind wir in der Aufarbeitung unserer eigenen Geschichte? Und wie tolerant sind wir in Ausübung der Toleranz selbst? Machen wir uns da nicht manchmal etwas vor? Weil es schöner, harmonischer ist wenn wir einen großen Widerspruch, ich verweise auf anfängliche Definition, still dulden Hat unsere Großloge unter dem Dachverband der Vereinigten Großlogen das Recht für uns Brüder zu entscheiden was gut ist und was nicht? Was macht mich zu einem „regulären Freimaurer“? Im Laufe meiner Umtriebigkeit lernte ich viele Brüder und Schwestern kennen, befasste mich mit ihren Lehrarten, wurde eingeladen, nahm an Arbeiten teil. Liebe Brüder, ich muss euch jetzt ein Geheimnis verraten… Freimaurerei kennt keine richtige und falsche Lehrart. Aber die Freimaurer selbst glauben daran. Natürlich unterscheiden wir uns in Lehrart, Form der Struktur und Ausrichtung. Unter den Regulären Logen innerhalb der Vereinigten Großloge von Deutschland finden sich auch unterschiedliche Formen der freimaurerischen Arbeit wieder.

So steht es jedem frei sich, je nach persönlicher Ausrichtung zu orientieren, auf der Suche nach seiner maurerischen Heimat. Der überzeugte Christ wird sich dabei sicher im Freimaurerorden zuhause fühlen, der Moslem würde in selbigen Orden an seine Grenzen stoßen, lehrart- und anschauungsbildlich bedingt. Es steht in keinem Verhältnis zur heutigen Zeit, dass die Fahne der Toleranz nach oben gehalten wird , zeitgleich Brüder und Schwestern anderer Grosslogen mit dem Stigma der Irregularität behaftet werden. Das widerspricht dem Geiste der Freimaurerei und liegt nicht begründet an ihr selbst sondern an den Freimaurern. Vehement bestreitet man die alte Konkurrenz-Fehde zwischen Frankreich und England. Aber Außenstehende sehen genau hier den Grund. Dieser Widerspruch, diese Intoleranz hindert den einen oder anderen wertvollen Freigeist sich aktiv der Freimaurerei zu widmen und einer Loge beizutreten. Es stört mich nicht das ein Buch mit leeren Seiten als Buch der Heiligen Gesetze aufliegt. Ich kann die Schrift sehen, weiß was drinsteht und es stört mich auch nicht dass der Große Baumeister aller Welten nicht mehr erwähnt wird……ich halte ihn für allgegenwärtig.

Es stört mich nicht, dass Brüder und Schwestern gemeinsam im Ritual arbeiten, ich persönlich tu mich da schwer, aber wenn es doch der von ihnen ausgewählte Weg ist… dann schadet es der Freimaurerei nicht. Ich tue mich aber schwer, wenn die Großloge mit der mageren Ausrede kommt „es sind keine schlechteren Freimaurer und Freimaurerinnen, aber sie widersprechen unserer Freimaurerei und stehen nicht im Einklang mit den alten Traditionen!“ Man scheut sich nicht einmal davor dem FREIEN MANN Konsequenzen anzudrohen, wenn er es den wagen sollte eine Ritualarbeit in einer sogenannten nichtregulären Bauhütte zu besuchen. Wie kann ich mich in der Freimaurerei bewegen, mich umschauen , neue Eindrücke gewinnen, meinen Horizont erweitern, mich geistig weiterentwickeln wenn mir die Tradition im Wege steht? Diese Frage, liebe Brüder, kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ich persönlich weiß, dass Reisefreiheit ein kostbarer Teil von Freiheit und Lebensqualität ist, und der persönlichen Weiterentwicklung dient…. und so halte ich es auch.

Wir haben doch schon mit den Traditionen aus den Alten Pflichten von 1723 gebrochen, sie aufgeweicht. Verstümmelten und Menschen verschiedener Religionen, wird der Eintritt in die Loge gewährt. Es hat der Freimaurerei keinen Abbruch getan, im Gegenteil, die Freimaurerei wurde bereichert. Wenn wir glaubhaft Toleranz und Brüderlichkeit vorleben und vermitteln wollen, dann werden wir wohl nicht drum herumkommen unsere festen Traditionen erneut aufzuweichen. Der Glaubwürdigkeit in Bezug unserer freimaurerischen Ziele kann es nur dienlich sein.

So wird der eine oder andere Freie Mann von gutem Ruf, der bedingt einer Toleranzbarriere zögerte, doch noch den Weg zu uns finden. Solche Menschen brauchen wir! Liebe Brüder, liebe Brr. Gesellen ;) Auf meinen Reisen, habe ich viel über die Freimaurerei gelernt und erneut festgestellt, es gibt nicht die Freimaurerei. Freimaurerei birgt auch keine Widersprüchlichkeit in sich, es sind die Menschen, welche sich ab und an, im besten Glauben an das Richtige, im Weg stehen. Aber sie sind bemüht und entwicklungsfähig. Die Erlebnisse, die Eindrücke, welche ich sammelte führten mich auch hierher zurück. Ich habe mich nicht in fremden, in anderen Ritualen und Lehrarten verloren. Ich habe mir selbst ein Bild gemacht, ich wollte nicht nur hören und lesen, ich wollte Erleben, selbst kennenlernen und mir dann ein Urteil zu bilden.Im Ritual der Alten Freien und Angenommenen Maurer fühle ich mich heimisch, ja zu Hause. Hier tanke ich Kraft und Energie, hier sind die mir engvertrauten Brüder, hier ist meine Freimaurerische Heimat. Hier entfalte ich mich in meiner freimaurerischen Arbeit Und so gestehe ich es auch jedem anderen Bruder, jeder anderen Schwester zu und erkenne sie an… selbst wenn sie französisch sprechen sollten.

Erwartungsgemäß ende ich meine Zeichnungen mit einem Zitat, und auch ich kann nicht von den Toten der Ahnentafel lassen, denn sie haben einfach phantastische Verse hinterlassen

Das Gleiche lässt uns in Ruhe,
aber der Widerspruch ist es,
der uns produktiv macht.

(Goethe)

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