Franz Stephan von Lothringen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 10. Januar 2022, 18:20 Uhr

Franz I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Gemälde von Martin van Meytens (1745)
Tempel mit einem Medaillon des Kaisers Franz Stephan von Lothringen; Kupferstich von Jac. Mercorus, um 1780.- Quelle Freimaurer-Ausstellung Wien 2017 der Österreichischen Nationalbibliothek.

Franz Stephan von Lothringen

Ein "Freimaurer" als Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches

Vorweg eine kurze Hommage:

Der Prinz aus Lothringen - ein Glücksfall für Habsburg

Ihren 300. Geburtstag feiert Österreich in diesen Mai-Tagen, wie es sich gehört. Umso stiller ist es um Maria Theresias Ehemann Franz Stephan (1708 bis 1765), immerhin Stammvater der Dynastie Habsburg-Lothringen. Zu Unrecht. Denn die Beurteilungen der Nachwelt treffen allesamt nicht zu. Als unbedeutend und energielos hatte man ihn dargestellt, immer im unfairen Vergleich zu seiner Ehegattin, die freilich eine ungleich größere Herrscherbürde zu tragen hatte. Aber Franz Stephan, ab November 1740 Mitregent in den habsburgischen Erblanden und seit 1745 als Franz I. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, war nicht nur eine für damalige Verhältnisse umfassend gebildete Persönlichkeit, sondern auch der Finanzmanager der Familie, in die er eingeheiratet hatte. Sein Palais in der Wiener Wallnerstraße war Zentrale eines Wirtschaftsimperiums, das prächtiger in der Welt stand als das Habsburgerreich selbst. Er war nicht nur ein glücklicher Familienmensch – mit wechselnden Amouren nebenbei – er war auch ein Erbe, der mit dem Geldsegen etwas anzufangen wusste.

Des Lothringers Interesse für Innovationen jeglicher Art ist bekannt. Er hatte ein offenes Ohr (und auch das nötige Kapital) für neue Ideen in ganz Europa, für neue Maschinen, die in Bergwerken oder in den rasch entstehenden Manufakturen verwendet werden konnten.

Quelle: 'Die Presse' vom 20. Mai 2017 - Rezension eines Buches von Renate Zedinger über 'Franz Stephan von Lothringen' im Verlag Böhlau, Wien.


Stichwort 'Franz Stephan von Lothringen' im Internationalen Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

Franz Stephan von Lothringen, als deutscher Kaiser (1745) Franz I., geboren 1706, gestorben 1765, Sohn des Türkensiegers Karl v. Lothringen, wurde am österreichischen Hof erzogen und von Karl VI. zum Gemahl Maria Theresias bestimmt. Im Kriege mit Frankreich verlor er sein Herzogtum, das Stanislaus Leseinski dem Schwiegervater Ludwigs XV., zufiel und erhielt dafür die Anwartschaft auf das Großherzogtum Toskana, das er nach dem Tode des letzten Medici 1737 in Besitz nahm. Vom Kaiser zum Generalissimus der Armee gegen die Türken ernannt, zeigte er wohl viel persönlichen Mut, aber wenig strategisches Talent. 1736 verehelichte er sich mit Maria Theresia. Nach dem Tode Karl VI. setzte Maria Theresia seine Kaiserkrönung in Frankfurt a. M. durch.

1731 unternahm er im Auftrage seines späteren Schwiegervaters Karl VI. eine Reise nach Holland, England und Preußen, die sicherlich politischen Charakter hatte. Hierbei lernte er im Haag den englischen Gesandten Ph. D. Stanhope, Earl of Chesterfield, den Verfasser der bekannten ,,Briefe an meinen Sohn", kennen, der die Vorbereitungen für den Besuch in England zu treffen hatte und der wahrscheinlich auch die Aufnahme Franz von Lothringens in den Freimaurerbund angeregt und vermittelt haben wird. Die Aufnahme fand Anfang Juni 1731 im Haag statt, wobei Dr. Desaguliers eigens von der Großloge von London entsendet wurde. Anwesend waren Desaguliers, John Stanhope, Holtzendorff als Großaufseher und andere Freimaurer, darunter der Gesandte Stanhope und ein holländischer Bruder. Anderson schreibt 1738 in seiner Geschichte, daß der Herzog zum Entered Prentice and Fellow Craft befördert wurde, also die damals üblichen Grade vollständig erhielt.

Während seines Aufenthaltes in England wohnte er mit Großmeister Lord Lovell einer Loge in Houghton Hall bei (zwischen dem 4. und 11. November), außerdem besuchte er am Freitag, dem 4. Dezember 1731, die Freimaurerloge in der Teufelstaverne (Devils Taverne near Temple Bar) und erhielt von der Norwicher ,,Maid's Head Lodge" im Landhaus des großen Staatsmannes Walpole in Norfolk den Meistergrad. Am 9. Dezember verließ er England.

Dies sind die sicher feststellbaren Daten über die freimaurerische Tätigkeit des Lothringers. Daß die Hamburger Brüder ihn anläßlich seiner Kaiserkrönung mit einem Gedicht ihres Bruders Alardus begrüßten, ist ein Beweis, daß man ihn im Bruderkreise als Bruder ehrte. Ebenso, daß die englische Großloge lange Zeit noch die Gesundheit des Bruders Lothringen als offiziellen Trinkspruch ausbrachte. Auch eine Loge hieß nach ihm.

Was sonst über seine maurerische Tätigkeit berichtet wird, ist unbelegbar. Er soll in Toskana die durch die päpstlichen Bullen ausgelösten Freimaurerverfolgungen eingestellt haben. In den Akten der Wiener Loge Aux Trois Canons wird er nicht genannt. Es gehört wohl in das Gebiet der Erfindung, daß er in der Wiener Hofburg Loge gehalten habe und daß Maria Theresia aus Eifersucht und weiblicher Neugierde die Loge ,,Aux trois canons" habe sprengen lassen.

Es wurde wiederholt behauptet und auch romanhaft und dramatisch dargestellt (Sacher-Masoch u. a.), daß Maria Theresia in Männerkleidung an der Aufhebung der Loge beteiligt gewesen sei. Daß die bei diesem Gewaltakt verhafteten hohen Würdenträger und Offiziere sehr glimpflich davon kamen, soll seinem Einfluß zuzuschreiben sein. Maria Theresia wußte, daß ihr Gatte Mason war. Das hat sie nicht gehindert, gegen die Freimaurerei scharfe Erlässe herauszugeben. Auch die Bestrafung der Prager Adelsempörer und Hochverräter soll Franz von Lothringen gemildert haben. Auch hier sind Zweifel berechtigt, denn Maria Theresia hat auch im aufständischen Oberösterreich in politischer Klugheit Milde walten lassen.

Die Freimaurerlaufbahn des Herzogs ist mit seinem englischen Aufenthalt offenbar abgeschlossen gewesen. In seinen späteren Lebensjahren huldigte Franz von Lothringen ausgesprochen alchimistischen Tendenzen, ohne jedoch mit der freimaurerischen Abart dieser geistigen Fehlleistung in Verbindung zu treten. Seine Alchimisten standen der Freimaurerei fern. Sein Einfluß auf die Freimaurerei wird besonders von freimaurerischer Seite gerne überschätzt. Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Friedrich dem Großen, der anteilnehmender Freimaurer gewesen ist, war Franz von Lothringen wohl weniger aus einem inneren Drange als mehr zufällig in den Bund gekommen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man in seiner Aufnahme ein von Stanhope inszeniertes gesellschaftliches Ereignis erblickt, das der jungen Großloge Ansehen und dem Aufgenommenen die Möglichkeit innigerer gesellschaftlicher Beziehungen an einem ihm fremden Hofe verleihen sollte. (Ende des Lexikontextes)


Franz I + Gemahlin wp-gemeinfrei.jpg

Das Bild links von 1755 zeigt das kaiserliche Paar im Kreise seiner Kinder: Es waren 16 (sechzehn!), davon sind sechs als kleine Kinder oder im Teenageralter gestorben. Das Baby in der Mitte ist Marie Antoinette, die später in Paris während der Französischen Revolution als Königin und Gemahlin von Ludwig XVI. enthauptet wurde (1793).

Auch wenn Franz Stephan einige Affairen hatte, führten die beiden eine gute Ehe: Maria Theresia scheint ihren 'Franzl' sehr geliebt zu haben. Viel weniger schätzte sie die damals neu entstandene Freimaurerei. Lennhoff-Posner meinten zwar, sie wusste, dass ihr Gemahl bei den Freimaurern aufgenommen worden war. Aber das dürfte weder ihr noch ihm besonders wichtig gewesen sein; daher im Untertitel oben der "Freimaurer" unter Anführungszeichen.

Der älteste Sohn links von Maria Theresia ist der spätere Kaiser Joseph II.: aufgeklärt, durchaus freimaurerfreundlich, und dennoch sah er sich Ende 1785 veranlasst, ein den masonischen Wildwuchs regulierendes Freimaurerpatent zu erlassen.

Übrigens: Auch wenn die in Österreich als historische Figur auch heute noch populäre Maria Theresia als Kaiserin bezeichnet wird ... sie war es nicht: Sie war Erzherzogin und Regentin der habsburgischen Stammlande und die Ehefrau eines Kaisers.

Das Gemälde hängt im Schloss Versailles bei Paris. Es ist von Martin van Meytens (Rudi Rabe).

Mit ihm hat alles angefangen ...

Freimaurerei in Österreich von Franz Stephan von Lothringen bis heute. Von Peter Back-Vega

Da war er noch nicht mit Maria Theresia verheiratet und noch lange nicht Deutscher Kaiser. 1731 war er Diplomat in habsburgischen Diensten. Zu jener Zeit waren Frankreich und der Vatikan bemüht, den katholischen Stuarts den englischen Thron zurückzuerobern, und England suchte, auf dem Kontinent eine Achse mit den Habsburgern herzustellen. Diese Bemühungen wurden durch die Knüpfung enger persönlicher Kontakte über die Freimaurerei verstärkt. Kurz: Franz Stephan wurde in diesem Jahr 1731 in Den Haag in den Bund aufgenommen und im folgenden Jahr in England zum Gesellen und zum Meister erhoben.

Dieser Vorgang ist vor allem im Zusammenhang mit der ersten päpstlichen Verurteilung des Bundes von Bedeutung, die direkt an den Herzog der Toscana (eben an Franz Stephan) gerichtet war, von diesem aber nicht weiterverbreitet wurde. Franz Stephan blieb de facto zeit seines Lebens, bis 1765 Freimaurer, ohne weitere Spuren zu hinterlassen. Sein Schwiegersohn, Albert von Sachsen-Teschen, verheiratet mit Maria Christina, der Lieblingstochter Maria Theresias, und Adoptivvater sowohl von Erzherzog Karl, wie von Erzherzog Johann, war Freimaurer bis in die höchsten Grade. Von allen anderen Habsburgern und ihrer nächsten Verwandtschaft ist keine Mitgliedschaft bekannt.

1742 nahm die erste Loge auf österreichischem Boden, „Aux Trois Canons“ in Wien ihre Arbeit auf. Verkehrssprache der gehobenen Stände, besonders wenn man etwas Exklusives und Diskretes zu teilen hatte, war Französisch: die Trois Canons sind nicht drei Kanonen, sondern die drei Verhaltensmaßregeln, die jedem Suchenden bei der Aufnahme eindringlich ans Herz gelegt werden: „Erkenne Dich selbst!“ - „Beherrsche Dich selbst!“ - „Veredle Dich selbst!“

„Aux Trois Canons“ wurde 1742 von Breslau aus in Wien eingesetzt und führte nach einem halben Jahr bereits 49 Mitglieder. Wie wir auf dem wesentlich später entstandenen Gemälde „Mozart in der Loge“ sehen können, waren Geistliche (hier Prälat und Mönch) durchaus bei den Arbeiten anwesend - die päpstliche Verdammung sollte offenbar vor allem das eigene Personal davon abhalten, freidenkerisch und in religiöser Toleranz zu leben.

Bis gegen Ende des Jahrhunderts hat diese Drohung wenig bewirkt. Es entstanden in den Städten eine Reihe von Logen, aber auch auf vielen Schlössern wie in Rosenau. Sie gehörten nicht alle jenem einen Verband an, der von der Großloge von England als „regulär“ anerkannt wurde. Es etablierten sich hier wie in ganz Europa, verschiedene Hochgradsysteme. Das sind Gemeinschaften, die auf den drei freimaurerischen Graden Lehrling, Geselle und Meister weiter aufbauend die unterschiedlichsten „Vertiefungen“ und „Erhöhungen“ (durch Titel) zelebrierten.

Als 1776 die Illuminaten den eigentlichen Kern der Freimaurerei zu einem Tugend- und Vernunftorden ausbauen wollten, in der hehren Absicht, das ganze soziale und politische Leben ideologisch so zu durchtränken, dass keine weitere Herrschaftsausübung nötig wäre, wirkte sich dieser Geist auch auf die Wiener Freimaurerei aus. In jener Zeit der Hoch-Aufklärung bildete die Loge Zur wahren Eintracht unter ihrem Meister vom Stuhl Ignaz von Born eine intellektuelle Speerspitze. Dem Beispiel der Royal Society (die viele Londoner Logen geprägt hat) folgend, wurden in den wöchentlichen ‚Arbeiten’ alle möglichen Belange der Wissenschaft, der Geschichte (auch der Ägyptischen Mysterien), des Staates und der Moral behandelt. Die intellektuelle Ausstrahlung dieser Logenversammlungen war so stark, dass sich der, an sich der Aufklärung zugeneigte, aber dennoch absolutistische Kaiser Joseph II. veranlasst sah, 1785 ein ‚Patent’ zu erlassen. Hierin wird die Freimaurerei nicht verboten, aber ihre Eigenständigkeit doch so stark eingeschränkt, dass nach der Zusammenführung der verschiedenen Logen in Wien zu nur mehr zweien, und dem Verbot aller ‚Winkel-‚ und Schlosslogen sowie aller internationalen Verbundenheiten, von zunächst etwa 1000 Freimaurern nur mehr rund 300 übrig blieben. Mozart hielt übrigens bis zu seinem Tode 1791 dem Bund die Treue. 1793 beschließen die Logen selbst ihre Auflösung.

Franz II., (bis 1806 Deutscher Kaiser, ab 1804 als Franz I. Kaiser von Österreich), der 1793 seine Tante, Marie Antoinette, auf der Guillotine enden sah, war leicht einzureden, dass an der Französischen Revolution nur die Freimaurer „schuld“ waren. Als ‚Jakobiner’ wurden sie daraufhin verfolgt, eingekerkert und 1795 schließlich per ‚Kriminalpatent’ gänzlich verboten.

Bis 1918 galt dieses Verbot in allen ‚cisleithanischen’ Ländern unter der habsburgischen Krone. In Ungarn zunächst auch. Nach dem ‚Ausgleich’ 1867 wird aber die Symbolische Großloge von Ungarn gegründet und während sich in Wien die Freimaurer in dezidiert unpolitischen, sozial und humanistisch orientierten Vereinen versammeln, fahren sie regelmäßig zu rituellen Logenarbeiten über die nahe Grenze nach Ungarn. Daher heißt diese Ära bis 1918 Grenzlogenzeit’.

Kurz nach Kriegsende 1918 und Ausrufung der Republik konstituiert sich aus den 14 Grenzlogen die Großloge von Wien. Sie besteht bis zu ihrer zwangsweisen Auflösung nach dem ‚Anschluss’ im März 1938 an der Adresse Dorotheergasse 12. Dort werden auch sieben Jahre später, gleich nach Ende des Krieges in total verwüsteten und geplünderten Räumlichkeiten die Brüder zusammengerufen: von fast 900 Brüdern in der Vorkriegszeit sind nur mehr 48 aufzufinden. In Kärnten hatten freimaurerische Aktivitäten schon etwas früher wieder begonnen und in Wien fanden sich bis 1947 sechs Logen zusammen, die mit 107 Mitgliedern die Großloge von Wien für Österreich bildeten.

Zur gleichen Zeit nimmt auch der ‚Schottische Ritus’, ein Hochgradsystem, seine Arbeit wieder auf. Die Anerkennung durch die Englische Großloge erfolgt erst 1952. Ab da wächst die Freimaurerei in Österreich stetig, 1969 wird ein zweites Hochgradsystem, der York Ritus, installiert. Die breite Basis bleiben aber die drei Grade (Lehrling, Geselle und Meister) der sogenannten Johannis-Freimaurerei.

1986 bezieht die Großloge mit allen in Wien arbeitenden Logen ein neues - eigenes - Haus in der Rauhensteingasse Nummer 3. In ganz Österreich bestehen derzeit (2017) mehr als 75 Logen, davon 50 Logen in Wien mit fast 3.600 Brüdern.

Peter Back-Vega war Direktor des Freimaurermuseums Rosenau in Niederösterreich.
Der Text 'Mit ihm hat alles angefangen ...' wurde seinem Buch 'Das Märchen von der Weltherrschaft' entnommen.

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Siehe auch